Wahlen im Kongo:Mit dem Einbaum kommt die Verheißung

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Kongos Bürger warten euphorisch auf die erste freie Wahl seit der Unabhängigkeit, aber erst danach beweist sich die Demokratie.

Arne Perras

Alles, was rollt, schwimmt oder fliegt, musste in diesen Tagen für den Transport herhalten. Fahrräder, Einbäume, Fährschiffe, Lastwagen, Hubschrauber, Großraumflugzeuge.

Plakativ: Für das Amt des Präsidenten gehen 33 Bewerber ins Rennen, für die 500 Sitze im Parlament gibt es 9709 Kandidaten (Foto: Foto: dpa)

In einem Land von der Ausdehnung Westeuropas, das das schlechteste Straßennetz auf der ganzen Welt hat, werden am Sonntag Wahlen stattfinden.

50.000 Wahllokale haben die Vereinten Nationen im Kongo aufgebaut. Und sie alle müssen ja bestückt sein mit Stimmzetteln und was man sonst noch alles braucht.

Noch nie gab es eine derart aufwändige Operation, um der Demokratie in tropischen Breiten auf die Beine zu helfen. 400 Millionen Dollar kosten die Wahlen im Herzen Afrikas, die von den UN maßgeblich organisiert und von Blauhelm- und Eufor-Soldaten abgesichert werden.

Noch nie gab es im Kongo seit der Unabhängigkeit eine Abstimmung, die halbwegs fair und frei gewesen ist. Entsprechend euphorisch sehnen die meisten Kongolesen nun den 30. Juli herbei, an dem sie als stolze Besitzer einer Wahlkarte ihre Stimme abgeben dürfen.

Und auch der Politische Direktor der UN-Mission, der Deutsche Albrecht Conze, nennt den Wahltag "den wichtigsten Meilenstein, seit der Kongo in den Krieg gestürzt ist."

26 Millionen Leute haben sich registrieren lassen, von geschätzten 28 Millionen Wahlberechtigten. Das sind mehr als 90 Prozent. Mit dem Problem wahlmüder Bürger wird das Land also kaum zu kämpfen haben.

Die Euphorie vieler Kongolesen ist so groß, dass sie manche schon das Fürchten lehrt. Denn mit dem 30. Juli verbinden sich große, oftmals völlig überzogene Erwartungen.

Der Kongo wird durch die Wahl nicht über Nacht zum demokratischen Rechtsstaat, und der Wohlstand wird auch nicht schlagartig über die Elendsviertel hereinbrechen.

Gleichwohl könnten die Wahlen, sofern sie nicht zu einem gewaltsamen Aufstand der Verlierer führen, Anstoß sein für den Aufbau eines ordentlichen Staatswesens, das die Rechte seiner Bürger achtet und nicht, wie es in der Geschichte des Kongo stets der Fall war, als Werkzeug für Ausbeutung und Selbstbereicherung der Mächtigen dient.

"Keinesfalls dürfen wir den Kongo nach der Wahl in ein Vakuum stürzen lassen", warnt Conze und mahnt die Europäische Union, dem Land weiterhin als Partner zur Seite zu stehen. Schon jetzt trägt die EU etwa 80 Prozent der Wahlkosten.

Europa, sagt Conze, sei Afrikas einziger verlässlicher Partner.

Für das Amt des Präsidenten gehen 33 Bewerber ins Rennen, für die 500 Sitze im Parlament gibt es 9709 Kandidaten. Die große Partei UDPS von Etienne Tshisekedi boykottiert die Abstimmung. Sie kritisiert, dass die Wahlkommission für Kabila Partei ergreife.

Unter anderem hatte die UDPS auch eine Volkszählung gefordert, um eine bessere Registrierung der Wähler zu ermöglichen. Doch der Antrag wurde abgelehnt, auch weil dies noch viel mehr Geld verschlungen hätte. Tshisekedi, der einst schon Diktator Mobutu die Stirn bot, hat sich mit seiner Weigerung nun ins Abseits manövriert.

Die besten Aussichten auf das höchste Staatsamt hat der amtierende Übergangspräsident Joseph Kabila. Doch er müsste im ersten Wahlgang die 50 Prozentmarke überspringen, um sich die Macht schon im ersten Schritt zu sichern.

Das Ergebnis soll in einem Monat bekannt gegeben werden.

Wenn keiner die 50 Prozent überspringt, wird es Mitte Oktober eine Stichwahl zwischen den beiden führenden Kandidaten geben. Dann könnte es freilich sein, dass der Favorit am Ende sogar noch von seinem ärgsten Rivalen überholt wird.

Dann nämlich, wenn es dem Zweitplazierten gelänge, die Stimmen der anderen Unterlegenen für sich zu mobilisieren. Wie auch immer, Kabila kann sich eines Sieges noch nicht sicher fühlen.

Wie sich der Kongo weiter entwickeln wird, hängt ganz besonders davon ab, wie sich die Verlierer, die teils noch ihre eigenen Milizen befehligen, nach der Wahl verhalten werden. Zu rechnen ist dabei zum Beispiel mit dem früheren Kriegsfürsten und jetzigen Vizepräsidenten in der Übergangsregierung, Jean Pierre Bemba.

Er befehligte die Rebellengruppe MLC und kontrollierte zeitweise, vom Nachbarn Uganda unterstützt, große Teile im Norden des Kongo. UN-Vertreter Conze hält indes einen "Rückfall in ein Bürgerkriegsszenario für unwahrscheinlich", er sieht durchaus "Potenzial für Ausgleich".

Demnach wird es darauf ankommen, die Verlierer nach der Wahl einzubinden, damit der Friede auch ihnen eine Perspektive bietet.

© SZ vom 28.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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