Wahlbeteiligung:Ganz große Koalition

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Es war eine ungewöhnliche Runde, die am Freitag in Berlin zusammenkam. Die Generalsekretäre von CDU, CSU, SPD, Grünen, Linken und FDP trafen sich, um über Mittel gegen die sinkende Wahlbeteiligung zu reden.

Von Robert Roßmann

Die Wahlbeteiligung gilt nicht zu Unrecht als wichtiger Indikator für die Gesundheit einer Demokratie. Mit jedem Bürger, der seine Stimme verweigert, sinkt die Legitimation der Parlamente. Umso alarmierender sind die Zahlen. Bei einigen Landtagswahlen ist die Beteiligung bereits unter die 50-Prozent-Marke gerutscht. Die Sorge über diese Erosion hat jetzt in Berlin zu einer ganz großen Koalition geführt. Normalerweise haben sich Linke und Union nichts zu sagen - und die FDP sitzt schon lange nicht mehr im Bundestag. Umso erstaunlicher war die Runde, die am Freitagmorgen um acht Uhr im Jakob-Kaiser-Haus des Bundestags zusammenkam. In Raum 3114 trafen sich die Generalsekretäre und Bundesgeschäftsführer von CDU, CSU, SPD, Linken, Grünen und FDP, um gemeinsam nach Mitteln gegen die schrumpfende Wahlbeteiligung zu suchen.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi hatte bereits im vergangenen Jahr Vorschläge gemacht. In Erinnerung geblieben ist vor allem die Empfehlung, auch in Supermärkten Wahlurnen aufzustellen. Peter Tauber und Andreas Scheuer hatten im Februar für die Union nachgelegt. Sie wollen unter anderem die Wahllokale zwei Stunden länger - also bis 20 Uhr - offen halten. Jetzt sahen es die drei Koalitionsgeneralsekretäre an der Zeit, mit ihren Oppositionskollegen Matthias Höhn (Linke), Michael Kellner (Grüne) und Nicola Beer (FDP) über das Thema zu reden.

In den "Berliner Runden" an Wahlabenden fetzen sich die Generalsekretäre nach allen Regeln der Kunst. Das Treffen im Bundestag verlief dagegen erstaunlich harmonisch. "Wir haben neunzig Minuten debattiert", sagt einer, der dabei war. Dabei habe keiner die Vorschläge "der anderen von vornherein kaputt geschlagen". Grüne und Linke glauben etwa, dass Volksabstimmungen gegen die Demokratiemüdigkeit vieler Bürger helfen könnten. FDP-Generalsekretärin Beer plädiert für E-Voting, also die Möglichkeit der elektronischen Stimmabgabe. Was in Estland gehe, müsse doch auch in Deutschland möglich sein, findet Beer.

Die Runde beschloss, sich in den kommenden Monaten um vier Themenkomplexe zu kümmern. Als Erstes wollen die sechs die Ursachen der sinkenden Wahlbeteiligung genauer erforschen lassen. Was kann man gegen die unterschiedliche Beteiligung der sozialen Schichten tun? Ist eine Nichtteilnahme automatisch eine Absage an die Demokratie oder manchmal nur Ausdruck von Zufriedenheit mit der Regierung? Das sind Fragen, auf die Generalsekretäre gerne genauere Antworten hätten.

Zweiter Themenkomplex soll das Wahlrecht sein. Die Grünen wollen ein kommunales Wahlrecht für alle Ausländer. Der Union geht es angesichts der Erfahrungen bei den jüngsten Wahlen in Hamburg und Bremen eher um die Frage, ob Bürger durch ein zu kompliziertes Wahlrecht abgeschreckt werden.

Der dritte Komplex heißt Partizipation. Dabei soll es nicht nur um Volksabstimmungen, sondern auch um innerparteiliche Mitbestimmung gehen. Virtuelle Kreisverbände oder die Wahl von Vorständen via Internet verhindert bisher das Parteiengesetz. Der letzte Punkt auf der Agenda heißt "Politische Kultur". Die Union denkt da zum Beispiel daran, den 23. Mai als Verfassungstag zu nutzen, an dem bundesweit für die Demokratie geworben wird.

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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