Wahl in Iran:Ahmadinedschads Mehrheit

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Am Sieg von Ahmadinedschad ist nicht zu zweifeln. Der Westen hat die Stärke der Opposition überschätzt.

Rudolph Chimelli

Als Mahmud Ahmadinedschad vor vier Jahren zum ersten Mal Präsident wurde, sahen viele verblüffte Iraner darin eine Panne. Sie kannten ihn kaum und fanden ihren neuen Staatschef eher bizarr als gefährlich. Seine Wiederwahl ist dagegen eine Entscheidung, die in voller Kenntnis von Ahmadinedschads umfassender Schadensbilanz gefällt wurde.

Am Sieg Ahmadinedschads ist wenig zu zweifeln (Foto: Foto: AFP)

Zwar sind die Vorwürfe massiver Fälschung, welche die Reformer erheben, sicher nicht unberechtigt. Aber eine Mehrheit von elf Millionen Stimmen lässt sich selbst durch Manipulation nicht aus dem Hut zaubern. Man mag es unerfreulich finden, dass Ahmadinedschad gewonnen hat, aber an seinem Sieg ist ebenso wenig zu zweifeln wie an der Niederlage des Herausforderers Mir Hussein Mussawi und mit ihm des gesamten Reformlagers.

Der geistliche Führer Ayatollah Ali Chamenei, der hinter dem amtierenden Präsidenten steht, entscheidet alles Wichtige im Lande. Er steuert indirekt auch die Wahlabläufe - von der Auswahl der Kandidaten, über ihre Behandlung durch das staatliche Medienmonopol bis zu den Schikanen durch die Sicherheitsorgane, die sie während ihrer Kampagne zu erdulden hatten.

Die hohe Wahlbeteiligung und den Stimmenvorsprung Ahmadinedschads wird Chamenei dennoch als voll gültiges Plebiszit für das System der Islamischen Republik bewerten.

Ein Gutes bleibt bei allen Fehlern an der iranischen Wahl. Sie erlaubte eine öffentliche, kontroverse Diskussion über Grundfragen der Gesellschaft. Vom Zustand der politischen Mumifizierung Ägyptens oder den archaischen Strukturen Saudi-Arabiens, um nur zwei Länder der Region zu nennen, ist Iran meilenweit entfernt.

Einmal mehr war man im Westen mit seinen Hoffnungen auf eine Wende in Teheran einem alten Wahrnehmungsfehler verfallen: Wir reden gern mit Leuten, die adrett gekleidet sind, eine Fremdsprache reden und so denken wie wir. Ihre politische Logik erscheint schlüssig. Die Ansichten und Träume der Stoppelbärtigen und der verhüllten Frauen interessieren uns weniger. Dabei sind sie seit jeher die Mehrheit, Ahmadinedschads Mehrheit.

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