Waffen-Deals:Langzeitfolgen

Lesezeit: 2 min

Mit "Leopard 2"-Kampfpanzern aus deutscher Produktion greift die Türkei Kurden in Nordsyrien an. Wie hat es dazu kommen können?

Von Mike Szymanski, Berlin

Die Geschichte der Leopard-2 -Panzer aus deutscher Produktion, die die Türkei offenbar bei ihrer Militäroffensive in Nordsyrien einsetzt, ist auch die Geschichte einer enttäuschten Hoffnung: Es war die rot-grüne Bundesregierung auf ihren letzten Metern im Jahr 2005, die das umstrittene Panzergeschäft durchsetzte. Um genau zu sein: Die SPD tat dies am Ende sogar gegen den Protest aus Reihen der Grünen. Aber Rot-Grün war zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung schon abgewählt, und die große Koalition unter Angela Merkel befand sich im Werden.

Kanzler Gerhard Schröder hatte bis dahin mit großer Kraft den EU-Beitrittsprozess mit der Türkei vorangetrieben. Er wollte das Land unbedingt in der EU sehen. 2005 hatten die offiziellen Verhandlungen darüber begonnen. Für die SPD war damals klar: Spätestens damit müsse das Land innerlich auch gefestigt genug sein, um Panzerlieferungen an Ankara rechtfertigen zu können. Die Grünen hatten da noch ihre Zweifel. Aber das Leopard-2-Geschäft basierte unter anderem auf der Annahme, dass die Türkei einmal Teil der EU sein würde und die Kampfpanzer beim Nato-Partner damit sowieso in verlässlichen Händen.

Sigmar Gabriel besichtigt 2002 auf einem Schießstand der Firma Rheinmetall in Unterlüß (Landkreis Celle) einen Kampfpanzer vom Typ Leopard II. (Foto: dpa)

In Ankara regierte damals schon Recep Tayyip Erdoğan. Nur war die Türkei ein ganz anderes Land als heute. Der Regierungschef hatte das Land auf Europakurs gelenkt, nachdem seine islamisch-konservative AKP-Partei 2002 an die Macht gekommen war. Er hatte damals auch damit begonnen, den Einfluss des Militärs zurückzudrängen. Einerseits sollten die Generäle nicht mehr Erdoğans Macht bedrohen können. Andererseits erfüllte er Forderungen seitens der EU.

Im Jahr 2018 redet niemand mehr ernsthaft von einem EU-Beitritt der Türkei. Die Gespräche darüber sind eingefroren. Seit dem Putschversuch im Jahr 2016 führt Erdoğan ein Land im Ausnahmezustand. Der Kurdenkonflikt - bis Sommer 2015 auf einem guten Weg, gelöst zu werden - ist wieder mit voller Wucht entbrannt.

Erdoğan lässt seit einigen Tagen Panzer gegen kurdische Milizen im syrischen Grenzgebiet auffahren, durch die er die Sicherheit seines Landes bedroht sieht. Am Mittwoch wollte sich der deutsche Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann, mit dem türkischen Verteidigungsminister Nurettin Canikli treffen und mehr darüber in Erfahrung bringen, "wie der türkische Einsatz dort ausgestaltet ist". Denn Filmaufnahmen zeigen angeblich Leopard-2-Kampfpanzer bei der Militärintervention auf syrischem Boden. Eine offizielle Bestätigung liegt derzeit noch nicht vor.

Nur wenige Politiker kennen die lange Geschichte der Panzer-Deals mit der Türkei so gut wie Claudia Roth, Grünen-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin. In ihrer Zeit als Europa-Abgeordnete war sie Anfang der 90er-Jahre mit einer Delegation zu Besuch im Südosten des Landes, als der Kampf gegen die kurdische PKK, eine Terrororganisation, schon tobte. An jeder Straßenecke hätte sie deutsche Panzer gesehen. "Ich habe mich wie auf einem deutschen Truppenübungsplatz gefühlt", sagt sie. 397 Leopard-1-Panzer hatte Deutschland bis 1993 an die Türkei geliefert.

Ende der 90er-Jahre wollte Ankara groß in die Modernisierung der Armee investieren. Deutschland war nach der Wiedervereinigung dabei, seine Bestände beim Militär zu reduzieren. Ein Rüstungsgeschäft über 1000 Leopard-2-Panzer bahnte sich an. Rot-Grün war frisch an der Macht und 1999 im Streit über dieses Geschäft beinahe schon wieder auseinandergebrochen. Die Grünen verwiesen auf die schlechte Menschenrechtslage im Land, insbesondere die Situation in den Kurdengebieten. Das Geschäft kam nicht zustande. Dafür aber verständigte sich Rot-Grün auf restriktivere Richtlinien für Rüstungsgeschäfte. In der Türkei machte derweil die Finanzkrise die Investitionspläne zunichte. Erst als Erdoğans AKP an die Macht kam und sich das Land auch wirtschaftlich erholt hatte, kam der Deal wieder auf die Tagesordnung, wenn auch in kleinerem Umfang. Es ging nur noch um 354 Leopard-2-Panzer. Die SPD machte den Eindruck, als könne sie es kaum erwarten, zu liefern. Der damalige SPD-Verteidigungsminister Peter Struck sagte 2004, kurz vor einer Reise nach Ankara: "Natürlich bin ich froh, wenn ich Panzer verkaufen kann. Wir haben ja zu viele davon."

© SZ vom 25.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: