Vorwahlen in den USA:Demokraten vor der Zerreißprobe

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Rechnerisch können weder Hillary Clinton noch Barack Obama aus den demokratischen Vorwahlen als Sieger hervorgehen. Das bringt die Parteistrategen ins Spiel.

Christian Wernicke

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte - genau dieses Horror-Szenario droht Amerikas Demokraten. Weil sich im erbitterten Duell zwischen Barack Obama, dem schwarzen Senator, und Hillary Clinton, der früheren First Lady, kein Sieger abzeichnet, droht vorerst ein Republikaner zum heimlichen Sieger des toten Rennens um die demokratische Präsidentschaftskandidatur zu werden:

Simple Mathematik: Mit gewählten Delegierten schafft auch Barack Obama keine Mehrheit mehr bis zum Nominierungsparteitag. (Foto: Foto: dpa)

John McCain, so gut wie gesetzt als Anwärter der Grand Old Party, hätte den ganzen Sommer Zeit, seine Partei hinter sich zu scharen und munter um Wähler und Spender zu werben. Derweil würden sich die Demokraten eifrig selbst zerfleischen - und erst Ende August, beim Nominierungs-Parteitag in Denver, entscheiden, welcher ihrer beiden Helden sie ins Rennen um das Weiße Haus führt.

Nur so viel steht nämlich fest: Die verbleibenden 18 Vorwahlen der Partei werden bis zum 7. Juni, an dem Demokraten auf Puerto Rico mit ihrem Caucus den Reigen abschließen, keinen Sieger krönen. Das verbieten die Regeln der Partei - und das ist das Ergebnis simpler Mathematik.

2025 Delegierte sind nötig, um bei dem Parteitag in Denver die nötige Mehrheit zu ergattern. Diese magische Ziffer kann kein Bewerber mehr erreichen, jedenfalls nicht allein mit Delegierten, die ihr Mandat einer der Vorwahlen aus den 50 Bundesstaaten verdanken.

Im Rennen um gewählte Delegierte liegt Barack Obama nach allen Berechnungen derzeit zwar knapp vorn: Die Nachrichtenagentur AP schreibt ihm 1112 dieser so genannten "pledged delegates" zu, Clinton hat demnach nur 978 Stimmen.

Das doppelte Dilemma

Aber dieser Vorsprung schmilzt auf magere 40 bis 50 Stimmen, sobald auch die sogenannten Super-Delegierten dazu addiert werden: Denn unter diesen insgesamt 796 Demokraten, denen die Partei einst ein Stimmrecht qua ihres Amtes als Kongressabgeordnete, Gouverneure oder verdientem VIP-Status schenkte, genießt Hillary Clinton bisher deutlich mehr Zuspruch.

Das interne Regelwerk der Demokraten plagt seit den achtziger Jahren ein doppeltes Dilemma: Im Bemühen um ein möglichst faires Rennen beschloss die Partei, in jedem Bundesstaat die Delegierten proportional zwischen Sieger und Verlierer aufzuteilen.

Kompensatorisch erfand die Partei ihre Super-Delegierten: Diese immerhin 19 Prozent aller Wahlmänner sollten den Demokraten ersparen, was jetzt droht - ein Patt. Diese Regeln haben etwa zur Folge, dass Hillary Clinton trotz ihres deutlichen Wahlsiegs im größten US-Staat Kalifornien vorige Woche nur 207 und Obama noch immer 163 Delegierte für sich gewinnen konnte.

Barack Obama
:Hoffnungsträger der Demokraten

Er ist der erste Schwarze, den die Demokraten ins Rennen um die US-Präsidentschaft schicken. sueddeutsche.de zeigt sein Leben in Bildern.

Hätten die republikanischen Regeln gegolten, die dem jeweiligen Sieger fast alle Wahlmänner zusprechen, hätten Clinton weitaus klarer abgeräumt - 316 zu 54. Im Gegenzug genießen die Clintons im Establishment der Partei mehr Sympathie und Loyalität. Bill Clinton, der ehemalige Präsident, ist seit Wochen damit beschäftigt, ehemalige Freunde und Zöglinge unter den Super-Delegierten auf ein Votum für seine Frau einzuschwören.

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:Die Sieger des Super Tuesday

Am Ende eines langen Wahlabends gewinnt Hillary Clinton den großen Preis und setzt sich in Kalifornien gegen Barack Obama durch. Bei den Republikanern setzt sich John McCain weiter von seinen Kontrahenten ab.

Zurück in die Hinterzimmer

Howard Dean, der Parteivorsitzende der Demokraten, kündigte angesichts der drohenden Zerreißprobe bereits an, er wolle spätestens im April eine Krisensitzung anberaumen. Falls sich bis dahin kein Favorit abzeichne, wolle er mit Obama und Clinton einen Ausweg beraten - und versuchen, einen der beiden Aspiranten zum Verzicht zu bewegen. Der Vorschlag löste unter Parteifunktionären mildes Lächeln aus - und stieß in beiden Kampagnen unisono auf Ablehnung.

Das Obama-Lager argumentiert, die Partei dürfe nicht zulassen, dass am Ende 796 Super-Delegierte im Hinterzimmer den Kandidaten unter sich ausmachten: "Wenn wir am Ende die meisten Staaten, die meisten gewählten Delegierten mit den meisten Stimmen im Land haben, dann wäre es problematisch, dass politische Insider das Urteil der Wähler umdrehen," warnte Barack Obama öffentlich.

Regeln seien Regeln, erwidern Hillarys Berater lakonisch. Zudem hofft das "Camp Clinton", bei den Vorwahlen in den großen Bundesstaaten Texas, Ohio und Pennsylvania Obama noch abzufangen.

Für den Fall, dass das nicht gelingt, bringt Mark Penn, der Chefstratege der früheren First Lady, noch zwei andere Bundesstaaten ins Spiel: Florida und Michigan. Dort hatte Clinton im Januar zwei Kantersiege errungen. Nach den Sonderregeln 2008 jedoch gilt, dass diese Vorwahlen nicht zählen: Die Bundespartei hatte beiden Staaten die Delegierten gestrichen, weil Florida und Michigan sich mit ihren Vorwahl-Terminen unbotmäßig vorgedrängelt hatten.

Keiner der Kandidaten durfte deshalb in Florida um Stimmen werben, in Michigan stand Obamas Name nicht mal auf den Wahlzetteln. Kein Wunder also, dass das Obama-Lager mit einem Aufstand droht, falls die Partei sich nachträglich revidieren und die Delegierten doch noch zulassen sollte.

Hoffen auf die Obama-Welle

Als Ausweg bleibt neutralen Demokraten nur die Hoffnung auf eine Sensation: Falls es Obama gelingt, wider Erwarten auch in Texas und Ohio die meisten Delegierten zu ergattern, sei Hillary "eigentlich erledigt", glaubt ein Parteifunktionär in Washington. Obama reite auf einer Welle, die Clintons stünden bereits mit dem Rücken zur Wand: "Das Problem ist nur: Genau in dieser Lage haben Bill und Hillary bisher immer ihren größten Kampfgeist gezeigt."

© SZ vom 15.02.2008/bavo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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