Vorratsdaten:Der Server weiß alles

Wieder mal geht es darum, ob Staaten Daten ihrer Bürger ohne Anlass speichern dürfen. Der EuGH sollte Nein sagen.

Von Wolfgang Janisch

Um die Speicherung sensibler Telefon- und Internetdaten auf Vorrat wird nun seit Jahren gestritten. Da mag es bisweilen wie Prinzipienreiterei wirken, wenn die Gegner immer noch die Gefahren der Sammelei beschwören. Und dies, obwohl das deutsche Speichergesetz im europäischen Vergleich sehr datenschutzfreundlich dasteht.

Doch das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zur schwedischen und britischen Vorratsdatenspeicherung erinnert daran, wie zentral dieses Prinzip, das hier geritten wird, für das Leben im 21. Jahrhundert ist. Die digitalen Spuren von Kommunikation und Mobilität lassen sich zu einem Persönlichkeitsbild verdichten, das präziser ist als die eigene Erinnerung; der Server weiß mehr über den Menschen als der über sich selbst.

Die Alternative, vor der das EU-Gericht nun steht, ist ja nicht der Komplettverzicht. Auch ohne umfassende Speicherpflicht bleibt den Ermittlern der Zugriff auf zahlreiche Datenspuren aus dem digitalen Alltag. Die wirklich fundamentale Frage lautet: Dürfen Daten auf Vorrat gespeichert werden, ohne dass es dafür einen Anlass gibt? Oder muss nicht doch irgendein Verdacht, eine Gefährdungslage vorhanden sein, um Datenvorräte anzulegen? Sagt der EuGH dieses Mal Ja zur anlasslosen Speicherung, dann wird er immer Ja sagen müssen - die geschützten Lebensbereiche werden schwinden. Er sollte laut und deutlich Nein sagen.

© SZ vom 20.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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