Vor Abstimmung über Gesundheitsreform:Mehr Geld vom Staat für Krankenkassen

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Die Koalition hat sich auf Zuschüsse von 14,5 Milliarden Euro bis 2010 geeinigt. Allerdings ist noch unklar, wofürdas Geld verwendet werden soll.

Nico Fried, Andreas Hoffmann und Jens Schneider

Die Kassen sollen 2009 und 2010 mehr Geld bekommen als bislang geplant. Darauf haben sich die Spitzen von Union und SPD am Montagabend verständigt. Wie es in Koalitionskreisen hieß, sollen die Kassen 2009 vier Milliarden Euro und 5,5 Milliarden im Jahr 2010 erhalten.

Für 2007 und 2008 sind je 2,5 Milliarden Euro vorgesehen. Im vergangenen Jahr lagen die Staatszuschüsse bei 4,2 Milliarden Euro. Bisher hatte die Koalition die Zuschüsse nur bis 2009 festgelegt. Außerdem sollte es eine gesetzliche Verpflichtung geben, wonach die Gelder schrittweise auf jährlich 14 Milliarden Euro steigen sollen.

Diese Verpflichtung hatten Haushaltspolitiker kritisiert. Sie fürchten, der Staat sage Milliarden zu, von denen er nicht wisse, wie er sie finanzieren solle. Wie es in Koalitionskreisen hieß, wollen die Fraktionen erneut darüber beraten, ob die gesetzliche Verpflichtung zugunsten einer formalen Absichtserklärung wegfallen soll.

Monatelanger Streit

Unklar ist, wofür das Geld verwendet werden soll. Zuletzt hieß es laut einem Änderungsantrag zur Reform, dass Privatversicherte davon nicht profitieren sollten. Das Geld sollte nur den Kassen zugute kommen, um versicherungsfremde Leistungen zu finanzieren, wie etwa das Mutterschaftsgeld. Dies ist wichtig, weil Union und SPD seit Monaten über die Zuschüsse streiten.

Die SPD will sie für die gesetzlichen Kassen (GKV) reservieren, die Union auch auf die Privatversicherer (PKV) ausdehnen, um so die Mitversicherung der Kinder zu bezahlen. Nun hat Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) einen Kurswechsel angedeutet. Sie schreibt in einem Brief an die schleswig-holsteinische SPD-Landesgruppe, dass die Mittel ,,erst dann für die Beitragsfreiheit der Kinder in der GKV und PKV verwendet werden'' sollten, wenn sie 14 Milliarden Euro ausmachten. Davon sei man aber weit entfernt.

Wenige Tage vor der Verabschiedung der Gesundheitsreform am Freitag im Parlament votierten in der SPD-Fraktion bei einer Probeabstimmung 30 Abgeordnete gegen die Reform, zwei enthielten sich. In der Unionsfraktion stimmten bei der Probeabstimmung am Dienstagnachmittag 23 Parlamentarier dagegen, drei enthielten sich. Das muss nicht bedeuten, dass die gleiche Zahl von Parlamentariern auch am Freitag im Bundestag die Reform ablehnen werde, hieß es aus Fraktionskreisen.

Kritik an SPD-Mitgliedern des Gesundheitsausschusses

Zuvor war im Fraktionsvorstand Unmut über SPD-Abgeordnete laut geworden, die der Abstimmung im Gesundheitsausschuss an diesem Mittwoch fernbleiben wollen. Fünf Abgeordnete, die die Reform ablehnen, hatten angekündigt, sich vertreten zu lassen, um nicht gegen das Gesetz stimmen zu müssen.

Dies sei unsolidarisch, sagte Struck. Ähnlich äußerte sich der Finanzexperte Jörg-Otto Spiller. Struck und die stellvertretende Fraktionschefin Elke Ferner, die die Reform maßgeblich mit ausgehandelt hat, wollten am Dienstag erneut mit den Gesundheitspolitikern über deren Abstimmungsverhalten reden. Ferner rügte besonders den Abgeordneten Wolfgang Wodarg. Der Spiegel hatte ihn mit dem Satz zitiert: ,,Ich habe noch nie gesehen, dass Parlamentarier so belogen, so getäuscht und so ausgetrickst werden wie bei diesem Gesetz.''

Bei der Union wertete der Gesundheitsexperte und stellvertretende Fraktionschef Wolfgang Zöller die Zahl der Gegenstimmen als ,,verkraftbare Zahl''. Vor dem Probelauf hatte der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder nach Angaben von Teilnehmern der Sitzung die Gesundheitsreform als ,,guten, tragfähigen Kompromiss'' bezeichnet, der den Einstieg in das von der Union gewünschte Prämienmodell ermögliche.

Kauder mahnte die Kritiker der Reform, sie sollten ihre Bedenken ,,nicht über die Gesamtinteressen stellen''. Die Unionsfraktion müsse zusammenstehen und in der großen Koalition ihre Handlungsfähigkeit beweisen. In der anschließenden Aussprache meldeten sich nur wenige der erklärten Reformkritiker zu Wort.

Inzwischen hat sich gezeigt, dass die Folgen der Reform für Baden-Württemberg weniger dramatisch sind als erwartet. Ein Gutachten der Landesregierung veranschlagt die Zusatzlast durch den Gesundheitsfonds auf nur 50 Millionen Euro. Frühere Rechnungen gingen von 890 Millionen und mehr aus. Dennoch erneuerten Kritiker ihre Bedenken. Der wissenschaftliche Beirat im Wirtschaftsministerium befürchtet, dass es bei Firmen zur Kartellbildung und Monopolisierung kommen könnte.

© SZ vom 31.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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