Vierer-Treffen zum Minsker Abkommen:Der kleinste aller Erfolge

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Die Außenminister ringen sich im Angesicht der Scharmützel in der Ostukraine zu einer gemeinsamen Erklärung durch. In Berlin überwiegt dennoch Ernüchterung.

Von Stefan Braun, Berlin

Zu Beginn des Treffens gab es noch die Hoffnung auf echte Fortschritte. Am Ende war Außenminister Frank-Walter Steinmeier froh, dass er überhaupt eine gemeinsame Erklärung durchsetzen konnte. Der Montagabend in der Villa Borsig, als der Deutsche zum vierten Mal seine Kollegen aus Frankreich, Russland und der Ukraine zum Vierer-Treffen am Tegeler See empfangen hatte, wird wohl als mühsam und anstrengend in die Geschichte derartiger Treffen eingehen.

Der Verständigung ging ein stundenlanges Ringen um Formulierungen voraus - und dazu das Bemühen Steinmeiers und seines französischen Kollegen Laurent Fabius, die verbalen Auseinandersetzungen zwischen dem Russen Sergej Lawrow und dem Ukrainer Pawel Klimkin nicht eskalieren zu lassen. Dass alle vier gegen Mitternacht schließlich zustimmten, die immer gefährlicheren Scharmützel im Osten der Ostukraine zu verurteilen und die Einhaltung der Waffenruhe zu fordern, musste angesichts der Vorgeschichte schon als Erfolg gelten.

Das zeigt auch, wie groß die Ernüchterung ist, nicht zuletzt in der Bundesregierung. Dabei fällt auf, dass Russland nach wie vor kritisiert, aber immer stärker auch die Ukraine in die Pflicht genommen wird. Derzeit findet sich weder bei öffentlichen Stellungnahmen noch in Hintergrundgesprächen ein Kommentar, in dem nicht hervorgehoben wird, dass derzeit beide Seiten gegen gemachte Zusagen verstoßen. Entsprechend kann keine Seite mehr der anderen irgendwelche Vorhaltungen machen, ohne ihrerseits von Berlin und Paris an eigene Verletzungen der Minsker Abkommen erinnert zu werden. Zu deutlich zeigt sich in Berichten der Nato wie der OSZE-Beobachter in der Ostukraine, dass beide Seiten ihre schweren Waffen bislang vor allem umgruppiert haben und jederzeit wieder zum Einsatz bringen könnten. ,,Der Weg zu einer erneuten Eskalation ist leider sehr kurz geblieben", hieß es am Montag.

Umso mehr wird es hinterher als Erfolg gewertet, dass der Begriff der schweren Waffen auf alle gepanzerten Fahrzeuge ausgedehnt wurde. Damit wird noch nichts besser in der Ostukraine. Aber es hält die Hoffnung aufrecht, dass es nicht automatisch zurück zum Krieg geht.

In ihrer gemeinsamen Erklärung drücken die vier Außenminister zudem ,,ihre große Sorge" aus über die Gewalt am vergangenen Wochenende. Dies gelte insbesondere für die Kämpfe am Flughafen von Donezk und in Shyrokine, einem Vorort der Hafenstadt Mariupol. Sie vor allem gilt als möglicher Ort künftiger Konflikte, weil ein Landkorridor von den Separatistengebieten zur Krim durch Mariupol führen würde. Angesichts dessen richten sich derzeit viele Blicke dorthin. In der Erklärung werden alle Seiten aufgefordert, die Waffenruhe unverzüglich einzuhalten und den Rückzug schwerer Waffen endlich umzusetzen. Außerdem solle sich die Kontaktgruppe schnellstmöglich auf einen Zeitplan festlegen. Schließlich wird in der nächtlichen Erklärung dazu aufgerufen (und von russischer wie ukrainischer Seite damit indirekt auch zugesagt), dass vier Arbeitsgruppen zu den Themen Sicherheit, politischer Prozess, humanitäre Angelegenheiten und wirtschaftliche Entwicklung schnellstens ihre Arbeit aufnehmen sollen. Dabei geht es um die Verfassungsreform, lokale Wahlen, eine Amnestie, den Austausch von Gefangenen und den Zugang für die humanitäre Hilfe.

Es geht wenig weiter in der Ukrainekrise. Das ist beim Treffen der vier Außenminister Fabius, Klimkin, Steinmeier und Lawrow nicht verborgen geblieben. (Foto: Getty Images)

Berlin wirbt für all das auch deshalb so vehement, weil es damit die Hoffnung verbindet, dass das Arbeiten an diesem Prozess die Chancen erhöht, dass Separatisten, Russen und Ukrainer sich wieder mehr auf eine Lösung als auf eine Fortsetzung des Konflikts konzentrieren. Steinmeier sagte nach dem Treffen, nichts sei einfach in der Ukrainekrise, das hätten die Meinungsverschiedenheiten zwischen Kiew und Moskau wieder gezeigt. Angesichts der jüngsten Eskalationen gebe es aber keine Alternative als ,,dafür zu sorgen, dass die Umsetzung des Minsker Agreements weitergeht". Gerne hätte er das letzte Wort, dieses ,,weitergeht", deutlich betont und ausgeschmückt. Tatsächlich geht derzeit wenig weiter, vieles erscheint als Rückschritt. Das ist an diesem Abend niemandem mehr verborgen geblieben.

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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