Verschwendung:Gröhe droht mit Staatskommissar

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Der Gesundheitsminister stellt der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ein Ultimatum. Am nächsten Montag läuft es aus, einen Tag vor Beginn des Deutschen Ärztetags.

Von Guido Bohsem, Berlin

Einer immerhin gibt sich zuversichtlich. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Andreas Gassen sagt, er glaube nicht, dass er entmachtet und seine Organisation unter Aufsicht des Staates gestellt wird. "Ich habe keine wirkliche Sorge, dass der Staatskommissar in die KBV kommt", ließ er die Öffentlichkeit in einem Video-Beitrag seiner Organisation wissen. Andere sind sich da nicht so sicher. Sie halten es für möglich, dass die Mehrheit der Ärztefunktionäre auch die letzte Frist ignoriert, die ihnen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) eingeräumt hat.

Sollte die KBV nicht bis zum kommenden Montag beschließen, ihre zahlreichen Skandale aufarbeiten, "wird das Bundesministerium für Gesundheit auf Kosten der KBV die Geschäfte der Körperschaft selbst führen", schrieb Gröhes zuständiger Abteilungsleiter vor einer Woche an die Organisation. Alternativ, so heißt es in dem Brief, könne auch ein Beauftragter bestellt werden, der die Vorgaben des Ministeriums umsetzt. Dieser Staatskommissar soll sowohl für den Vorstand der KBV und auch für die Vertreterversammlung agieren, die den Vorstand wählt und wesentliche Beschlüsse absegnet.

In Gröhes Drohung gipfelt eine Auseinandersetzung, die seit Monaten in ungewöhnlicher Heftigkeit zwischen der Ärzteschaft und der Politik ausgetragen wird. So hatte das Ministerium Gassens Vorgänger Andreas Köhler verklagt, weil dieser einen Mietkostenzuschuss von gut 95 000 Euro erhalten hatte - nach Einschätzung von Gröhes Beamten zu Unrecht. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Maria Michalk, lehnte zwischenzeitlich sogar jeden Kontakt mit Vertretern der KBV ab. Dass Gröhes Ultimatum einen Tag vor Beginn des diesjährigen Ärztetags ausläuft, verleiht der Heftigkeit der Auseinandersetzung da nur noch eine nickelige Beinote.

Der Regierung sind die Versorgungsansprüche des Ex-Vorsitzenden viel zu hoch

Konkret fordert Gröhe die KBV in drei Punkten zum Handeln auf. So sollen die Versorgungsansprüche Köhlers angefochten werden. Der langjährige Vorsitzende der Organisation erhält angeblich einen Betrag von etwa 221 000 Euro im Jahr. Der Vorstand der KBV ist der Aufforderung bereits nachgekommen, allerdings fehlt ein Beschluss der Vertreterversammlung. Ferner sollen Vereinbarungen über zu hohe Versorgungsleistungen widerrufen werden, die Köhler mit Mitarbeiterinnen der KBV geschlossen hatte. Auch hier fehlt der Beschluss der Vertreterversammlung.

Zudem muss die Ärzteorganisation ein Konzept vorlegen, wie sie ihre dubiosen Immobilienaktivitäten abwickeln will. Ebenfalls unter Köhler soll die KBV laut einem Gutachten ohne Genehmigung der eigenen Vertreterversammlung und des Gesundheitsministeriums eine Tochter der Ärzte- und Apothekerbank mitsamt deren Immobilien übernommen haben. Laut Schreiben hatten Gröhes Fachleute das Konzept zur Liquidation der sogenannten Apo KG bereits mehrmals angemahnt. Die Aufforderung, es bis zum 11. Mai einzureichen, ließ die KBV verstreichen.

Doch will Gröhe es nicht bei der Drohung mit dem Staatskommissar belassen. Er arbeitet an einem Gesetz, um die KBV und womöglich andere Organisationen der Selbstverwaltung im Gesundheitssystem (Kassen, Krankenhäuser und Apotheker) schärfer an die Kandare zu nehmen. "Es laufen derzeit Gespräche innerhalb der Koalitionsfraktionen über Eckpunkte für eine gesetzliche Regelung", sagte seine Sprecherin.

Gesprochen werde vor allem über Vorgaben für die Aufsichtsverfahren und strukturelle Veränderungen der KBV. So werde erwogen, auch einer Minderheit der Vertreterversammlung das Recht einzuräumen, Geschäftsunterlagen zu prüfen, hieß es in Kreisen der Koalition. Zudem sei denkbar, ein unabhängiges Gremium einzurichten, das in der KBV arbeitet und Regelverstöße direkt an die Aufsicht meldet. Erwogen werde auch, künftig alle Beratertätigkeiten von Mitgliedern, Verwaltungsrat und Vertreterversammlung offenzulegen.

© SZ vom 19.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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