Verdorrtes Getreide, Wassermangel und Hitzetote:Die große Dürre

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Grafik: SZ (Foto: N/A)

Nach sechs Wochen brütender Hitze und extremer Trockenheit zeigen sich in Deutschland und Südeuropa die Folgen. Nur die Winzer freuen sich.

Von Patrick Illinger

Als hätte jemand die Grillfunktion eingeschaltet. Mehr als sechs Wochen lang lagen weite Teile Deutschlands wie auch Südeuropa und der Nahe Osten unter einer Hitzeglocke. Gleichzeitig sind die Regenfälle ungleich verteilt. Nun zeigen sich die Folgen. Ernten fallen aus, Trinkwasser wird knapp und Böden vertrocknen. Immerhin: Die Winzer freuen sich.

Seit Anfang Juli liegt Deutschland zwischen Tiefdruckgebieten über dem Atlantik und Hochdruckgebieten in Osteuropa, die wie gegenläufige Schaufelräder heiße Luft aus dem Süden nach Mitteleuropa befördern. Klimaforscher vermuten eine langfristige Schwächung der Höhenwinde auf der Nordhalbkugel der Erde. Das könnte derart stabile Wetterlagen fördern.

Gleich zweimal meldete der Deutsche Wetterdienst DWD in diesem Sommer Hitzerekorde. Am 5. Juli und am 7. August stieg die Temperatur im bayerischen Kitzingen auf 40,3 Grad - der höchste Wert seit dem Beginn flächendeckender Aufzeichnungen im Jahr 1881. Der Juli war 1,4 Grad wärmer als im Durchschnitt. Im Norden regnete es zwar genug. In Südhessen, Teilen Nordbayerns, Sachsens und Brandenburgs ist der Boden hingegen so trocken wie seit 50 Jahren nicht mehr. Im Main- und Alpenraum fiel nur halb so viel Regen wie sonst. Auf dem Rhein fahren große Frachter mit weniger Ladung, Abschnitte der Donau sind unpassierbar.

Landwirte müssen Ernteausfälle hinnehmen. Der deutsche Bauernverband befürchtet, Roggenerträge könnten regional um bis zu 30 Prozent einbrechen. Die Maisbauern in Baden-Württemberg rechnen mit Einbußen von bis zu 50 Prozent. "Wir wissen kaum noch, wo wir unserer Kühe weiden lassen sollen", sagt Heiko Terno, der ein 1500 Hektar großes Gut in Brandenburg betreibt. Ganze Wiesen und Maisfelder seien verdorrt. "Die Extreme werden durch den Klimawandel weiter zunehmen und damit auch die Herausforderungen für die Landwirtschaft", warnte das Bundeslandwirtschaftsministerium.

Auch Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) nennt den Klimawandel als Ursache. Zur Entwicklung intelligenter Bewässerungsanlagen, etwa im Weinbau, gebe es bereits eine Kooperation mit einer israelischen Firma, so Brunner. Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft erforscht zudem Gewächse, die weniger Wasser benötigen.

Auch in Spanien gab es in diesem Jahr Hitzerekorde. Schwerer wiegen dort aber die Folgen des regenarmen Frühjahrs. Bereits im März und April bekamen Obst- und Olivenplantagen nicht genug Wasser. Die Produktion von Olivenöl dürfte um ein Drittel sinken. Die Stauseen mit Trinkwasser liegen zum Teil nur bei der Hälfte des Solls. Ausgerechnet in dieser Lage steigt der Wasserverbrauch. Hauptgrund dafür ist der Tourismus. Da Mittelmeerländer wie Tunesien und Ägypten gemieden werden, verzeichnet Spanien einen Besucherrekord. Untersuchungen zeigen, dass Touristen fast doppelt so viel Wasser wie Einheimische verbrauchen. Hinzu kommen Swimmingpools und Golfplätze, die viel Wasser schlucken. Bei den Parlamentswahlen im Herbst dürfte ein "nationaler Wasserplan" zum Thema werden.

Immerhin blieb Griechenland in diesem Jahr von der Witterung verschont, wie Jürgen Vogt von der Europäischen Beobachtungsstelle für Dürren bestätigt. Die arabische Welt erlebt allerdings eine extreme Hitzewelle. In Ägypten starben in den vergangenen Tagen Dutzende Menschen an der Hitze, unter ihnen Patienten eines psychiatrischen Krankenhauses. Im Irak protestierten Zehntausende gegen Misswirtschaft, weil bei Temperaturen von bis zu 53 Grad ständig der Strom ausfällt - und damit die Klimaanlagen. Die Regierung verlängerte das Wochenende auf vier Tage. Viele Flüchtlinge sind zudem in Zelten der Hitze schutzlos ausgesetzt.

In Italien fiel im Juli landesweit 56 Prozent weniger Regen als in anderen Jahren, in Norditalien waren es sogar 68 Prozent. Die Trockenheit schädigt die Bauern massiv. Gemüse und Obst "verbrennen" regelrecht, klagt der Landwirtschaftsverband Coldiretti. Schweineställe müssen klimatisiert werden. Hühner legen weniger Eier, die Kühe gaben im Juli 100 Millionen Liter weniger Milch als sonst. Doch es gibt auch gute Nachrichten: Italiens Winzerverbände rechnen mit deutlich mehr Ertrag und einer wohl "optimalen Qualität". "Dieses Jahr bietet alle Voraussetzungen für einen großen Jahrgang", sagt Giovanni Busi, der Präsident des Konsortiums Vino Chianti in der Toskana. Die Trockenheit hält Blattkrankheiten und Schädlinge fern. Auch in Deutschland hält Hermann Kolesch, Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau einen "genialen Jahrgang" für möglich - sofern es demnächst wieder regnet.

Genau das soll an diesem Wochenende passieren: Eine Kaltfront bringt Abkühlung und Regen. Danach dürfte der Sommer eine Nachspielzeit geben, allerdings mit Temperaturen unter 30 Grad.

© SZ vom 14.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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