Verdeckte Armut:"Millionen verzichten auf staatliche Hilfe"

In Deutschland leben mehr Menschen in Armut als angenommen - auch weil sie keine öffentlichen Gelder annehmen wollen.

Mehrere Millionen Bedürftige nähmen ihren Anspruch auf staatliche Hilfen nicht wahr, heißt es in einer von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung geförderten Untersuchung. Unter ihnen seien knapp zwei Millionen Erwerbstätige, die ihren geringen Verdienst nicht "aufstocken" ließen, obwohl das möglich wäre, teilte die Stiftung am Mittwoch in Düsseldorf mit.

Viele Bedürftige leben in verdeckter Armut. (Foto: Foto: dpa)

Bedürfnis nach Eigenständigkeit

Die Bedürftigen lebten in verdeckter Armut, und mit ihnen etwa eine Million Kinder. Laut Studie dürften gut zehn Millionen Menschen einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe haben. Tatsächlich erhielten aber nur 7,4 Millionen Menschen Hartz-IV-Leistungen.

1,5 Millionen Haushalte schütze auch ein Vollzeiteinkommen nicht vor Bedürftigkeit. Nach Angaben der Frankfurter Verteilungsforscherin Irene Becker stehen die Ergebnisse der Studie in "auffallendem Kontrast" zu Thesen über negative Arbeitsanreize der staatlichen Grundsicherungszahlungen.

Vielen Menschen scheine das Bedürfnis nach Eigenständigkeit, Anerkennung und längerfristigen Lebensperspektiven wichtiger zu sein als das kurzfristige wirtschaftliche Kalkül, erklärte sie. Nicht Leistungsmissbrauch sei verbreitet, sondern Arbeit trotz Mini-Einkommen.

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