Vatikan verurteilt Theologen:"Gefährliche Thesen"

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Es ist, als würden die Konflikte der achtziger Jahre wiederauferstehen: Der Papst maßregelt einen Befreiungstheologen aus El Salvador. Weil er Jesus zu sehr als solidarischen Begleiter der Menschen und zu wenig als göttlichen Erlöser beschreibt.

Matthias Drobinski

Jon Sobrino aus El Salvador ist ein drahtiger Mann mit asketischem Gesicht, er spricht ganz gut Deutsch, weil er, der Jesuit, mal in Frankfurt an der Jesuitenhochschule studierte. Vor allem aber gehört der 68-Jährige zu einer klein gewordenen Gruppe in der katholischen Kirche: Er ist Befreiungstheologe.

Sobrino war ein Berater von Erzbischof Oscar Romero, den 1980 in San Salvador eine Todesschwadron ermordete, weil er gepredigt hatte, dass die Kirche an der Seite der Armen, nicht der Großgrundbesitzer stehen müsse. Auch Sobrino entkam nur knapp dem Tod: Am 16. November 1989 überfiel ein Kommando der salvadorianischen Armee die Jesuitengemeinschaft, erschoss die Patres, die Köchin, deren Tochter, neun Menschen insgesamt.

Der Theologe war zu dieser Zeit auf einem Seminar in Thailand - sein Glück.

Mit Romeros Einsatz für die Armen schmückt sich nun die katholische Kirche: Für den Märtyrerbischof läuft ein Seligsprechungsverfahren. Dem Berater und geistigen Erben Sobrino, der in Lateinamerika viel gelesen wird, steht dagegen Ärger bevor: Am 15. März, dem kommenden Donnerstag, wird die Glaubenskongregation unter ihrem neuen Präfekten Kardinal William Levada eine "Notifikation" veröffentlichen, die eine Reihe der Werke Sobrinos verurteilt.

Erstmals im fast zwei Jahre währenden Pontifikat Benedikts XVI. trifft einen Theologen eine Lehrverurteilung. Und es ist, als würden die Konflikte aus den achtziger Jahren wiederauferstehen, als Joseph Ratzinger, damals Präfekt der Glaubenskongregation, gegen populäre Befreiungstheologen wie Leonardo Boff stritt, weil sie nach seiner Meinung die Botschaft Jesu unzulässig politisierten. Eingeleitet wurde das Verfahren gegen Sobrino im Jahr 2001 - unter dem Präfekten Ratzinger.

"Verwirrung der Gläubigen"

Die "erklärende Note", die der Verurteilung vorausgeht und die der SZ vorliegt, betont, dass "die Option für die Armen und Unterdrückten" von "der gesamten Kirche geteilt'' werde. Andererseits stellt der Text auch klar, dass der Fall des Paters Sobrino einer dringenden Untersuchung bedurft hätte, wegen der "großen Gefährlichkeit" seiner Thesen und der möglichen "Verwirrung der Gläubigen".

Die Glaubenskongregation wirft dem Theologen vor, er rede - vor allem in seinem Buch "Jesus, der Befreier" - nicht klar genug von der Göttlichkeit Jesu, sondern beschreibe sie als Produkt späterer theologischer Reflexion; er unterscheide zu stark zwischen der göttlichen und menschlichen Natur Jesu, vermenschliche zu sehr den Gottessohn. Insgesamt laufen die Vorwürfe darauf hinaus, dass Sobrino Jesus zu sehr als solidarischen Begleiter der Menschen und zu wenig als göttlichen Erlöser beschreibt.

Gerade Joseph Ratzinger aber hat, zum Beispiel in der von ihm verfassten Erklärung "Dominus Jesus", die "Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche" herausgestellt. Noch in diesem Monat soll des Papstes Buch "Jesus von Nazareth" erscheinen - die Verurteilung von Sobrinos Christologie wirkt fast wie ein Vorspiel dazu.

Was Sobrino (von dem auch Freunde sagen, er sei kein Meister der Differenzierung) nun droht, ist schwer zu sagen. Die Notifikation kündigt keine Sanktionenan; sie wolle klarstellen, "dass theologische Reflexion kein anderes Fundament haben kann als den Glauben der Kirche". Sobrino selber schweigt derzeit; er sei sehr gelassen, heißt es. Vor einem Jahr war er in München, das Verfahren mache ihm keinen großen Kummer, sagte er damals: "Theologen sollen fröhliche Leute sein."

© SZ vom 12.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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