Vatikan und Saudi-Arabien:Der Pilger aus Riad

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Eigentlich unterhalten Saudi-Arabien und der Vatikan keine Beziehungen - doch nun hat König Abdullah Papst Benedikt XVI. besucht. Die Monarchie am Golf sucht neue Freunde.

Rudolph Chimelli

Als Kronprinz war der König von Saudi-Arabien schon einmal im Vatikan: Er wurde vor acht Jahren von Papst Johannes-Paul II. empfangen.

Papst Benedikt XVI. empfängt den saudischen König Abdullah (Foto: Foto: AP)

Aber dass er als regierender Monarch mit dem Titel "Beschützer der beiden heiligen Stätten" (gemeint sind Mekka und Medina) das Haupt der katholischen Christenheit besuchte, ist protokollarisch in die Routine des Verhältnisses zwischen Staaten nicht einzuordnen.

Saudi-Arabien und der Vatikan unterhalten keine Beziehungen. Nicht ein einziger Saudi ist Christ.

Christliche Gastarbeiter aus Südostasien - schätzungsweise über eine Million - sind zwar nicht unwillkommen, weil sie gegen Islamismus immun sind. Aber sie dürfen ihren Glauben nicht sichtbar praktizieren - ebenso wenig wie die Angehörigen fremder Botschaften.

Erdöl riecht nicht

"Geld riecht nicht", hatte im antiken Rom Kaiser Vespasian gesagt. Auch Erdöl, das moderne Äquivalent des Geldes, ist völlig geruchlos - und Saudi-Arabien hat davon ein Fünftel der Weltreserven.

Wenn sich der Preis für ein Fass einhundert Dollar nähert, dann sind westliche Länder, allen voran die USA, mehr denn je bereit, dem Königreich Defizite an Demokratie und Menschenrechten zu verzeihen.

Im Buckingham-Palast wurde Abdullah mit allem Glanz empfangen, obwohl er den Briten die unangenehme Wahrheit sagte, sie hätten sich die Attentate in der Londoner U-Bahn wahrscheinlich ersparen können, wenn sie auf konkrete Warnungen aus Riad gehört hätten. Von Angela Merkel erwartet der König am heutigen Mittwoch in Berlin wenig Lust zur Konfrontation.

Entgiftung des Verhältnisses

Zum Papst wollte der Saudi als Vertreter einer Vormacht des sunnitischen Islam, der seit Absetzung des Sultans/Kalifen durch Atatürk kein Oberhaupt mehr hat, in gleicher Augenhöhe sprechen. Falls durch die Regensburger Rede von Benedikt XVI. Türen zugeschlagen wurden, sind sie jetzt wieder geöffnet. Die Absicht, das Verhältnis zwischen Islam und Christentum zu entgiften, ist als ein Zweck der Visite erkennbar.

Der Monarch weiß indessen auch, dass er die internationale Stellung des Königreichs nach vielen Seiten absichern muss. Saudi-Arabien braucht Wohlwollen und Anerkennung.

Sich allein auf die USA zu verlassen, wie in den vergangenen sechs Jahrzehnten, genügt nicht mehr. Abdullah ist zwar aus Realismus ein Freund der USA und schon in zweiter Generation ein persönlicher Freund der Präsidenten-Dynastie Bush.

Aber erst nach langem Zögern folgte der König einer Einladung nach Washington. Und man weiß, dass er im Familienrat gegen die Stationierung amerikanischer Truppen in Saudi-Arabien war, als die Iraker Kuwait besetzten.

Nach der Thronbesteigung war Ostasien sein erstes Reiseziel. Russlands Präsident Putin kam im Februar nach Riad. Die Westeuropa-Tournee des Königs ist Teil dieser Suche nach multilateralen Stützen.

Abdullah sucht neue Freunde

Zugleich will Saudi-Arabien das Vakuum füllen, das durch die Isolierung Irans entstanden ist. Als Golf-Anrainer fühlt sich das Königreich zum Gegengewicht für die regionalen Vormacht-Ansprüche Teherans berufen.

Dabei ist Eindämmung das Ziel Riads. Keineswegs will Saudi-Arabien zur strategischen Etappe eines amerikanisch-israelischen Krieges gegen Iran werden. Der könnte, das weiß niemand besser als die Königsfamilie, existenzgefährdend werden.

Parallel verfolgt die Diplomatie der Saudis die Strategie, die für Dezember geplante Nahost-Konferenz zur Zukunft der Palästinenser schon im Voraus auf konkrete Ergebnisse festzulegen. Grundlage soll dabei nach den Vorstellungen Riads der Friedensplan des früheren Königs Fahd sein. Dessen Kernstück ist der Rückzug Israels auf die Grenzen von 1967 im Gegenzug für eine Anerkennung durch die arabische Welt.

Eine weitere Palaver-Konferenz über einen "Friedensprozess" statt Frieden will Abdullah nicht. Auch dafür braucht der König möglichst viele neue Freunde.

© SZ vom 7.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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