V-Mann-Debakel:Dem NPD-Verbotsverfahren droht das Aus

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Die Innenminister der Länder weigern sich, dem Bundesverfassungsgericht weitere Namen und Quellen zu nennen. Wenn das Gericht das nicht akzeptiert, so Experten, dann platzt der Prozess.

Annette Ramelsberger

(SZ vom 10.07.2002) München -Die Innenminister der Länder haben sich darauf verständigt, dem Bundesverfassungsgericht keine zusätzliche Namen von Quellen im NPD-Verbotsverfahren zu nennen. Sie fürchten sonst die Enttarnung ihrer V-Leute in der Partei und damit das Ende der Verfassungsschutzarbeit. Das Gericht hat den Antragstellern bis zum 31. Juli Zeit gegeben, ihre Quellen zu nennen. Wie die Süddeutsche Zeitung erfuhr, haben die Minister bei einem Kamingespräch bei der Innenministerkonferenz in Bremen diese Linie verabredet, die der Bund unterstützt. Sollte das Gericht die Weigerung nicht akzeptieren, rechnen Experten damit, dass der Prozess platzt.

Das Verfassungsgericht hatte bereits im Februar einen Bericht von Bundesrat und Bundesregierung erhalten, in dem sie die Arbeit der V-Leute Udo Holtmann und Wolfgang Frenz erklärten, die Spitzenleute der NPD und gleichzeitig Spitzel für den Verfassungsschutz waren. Diese Erklärung reichte Karlsruhe jedoch nicht. Anfang Mai forderten die Richter, dass die Behörden alle V-Leute in der NPD bekannt geben sollen - bis zurück ins Jahr 1996. Die Verfassungsschützer sollen auch Auskunft geben über Personen, die gar nicht mehr aktiv sind. So will das Gericht herausfinden, ob die NPD von Spitzeln fremdbestimmt ist. Das könnte großen Einfluss aus die Entscheidung haben.

Zwei Wochen vor der Innenministerkonferenz, an Pfingsten, sprachen Bundesinnenminister Otto Schily und sein bayerischer Kollege Günther Beckstein in Becksteins Haus in Nürnberg die Vorgehensweise ab. Unter dem Eindruck von Warnungen der Verfassungsschützer, die nachhaltige Schäden für ihre Arbeit befürchten, wollen die Minister nun dem Verfassungsgericht lediglich ausführlich begründen, warum sie Quellen nicht preisgeben.

"Schon jetzt ist die Verunsicherung unter den V-Leuten erheblich", sagt Volker Lingenthal, Sprecher von Innenminister Schily. "Bund und Länder vertreten die Ansicht, keine weiteren Namen von V-Leuten herauszugeben." Die V-Leute des Bundes seien aber alle bekannt, es liege an den Ländern, zu erklären, dass sie ihre Leute nicht preisgeben könnten.

Ein hoher Verfassungsschützer sagte der Süddeutschen Zeitung, eine Offenlegung der V-Leute in der NPD würde die Arbeit des Geheimdienstes insgesamt in Frage stellen. "Die Quellen sind schon jetzt in Aufruhr, jeder denkt, er könnte als nächster enttarnt werden, viele wollen die Zusammenarbeit mit uns beenden - auch aus ganz anderen Bereichen als der NPD", sagt der Fachmann. "Wenn wir die Namen der Quellen und ihre Arbeitsweise in das Verfahren einbringen, können wir sie der NPD gleich auf dem Silberteller servieren. Uns fragen schon ausländische Dienste, ob wir nicht fähig sind, unsere Leute zu schützen."

Diese Argumentation hat offenbar bei den Ministern verfangen. "Ohne Quellen können wir den Verfassungsschutz einstellen", sagt Bayerns Innenminister Beckstein. "Es kommt nicht in Frage, dass wir der NPD die V-Leute nennen." Kleinere Bundesländer könnten noch nicht einmal die Zahl ihrer V-Leute nennen, weil sich dann sehr schnell die Schlinge um die Betroffenen zuziehe. Beckstein schlägt vor, das Gericht solle die Präsidenten der Verfassungsschutzämter befragen. Oder eine eigene Kammer solle die Quellen unter Geheimschutz befragen - ein Verfahren, das aber sehr umstritten ist.

Der Vorschlag Becksteins zeigt, wie verfahren die Lage für die Länder und den Bund ist. Seit der Panne Anfang des Jahres, bei der dem Verfassungsgericht nur zufällig bekannt wurde, dass Zeugen im NPD-Verfahren gleichzeitig Spitzel des Verfassungsschutzes sind, ist das Vertrauensverhältnis zwischen den Antragstellern und dem Gericht empfindlich gestört. "Wir sind in einer unguten Lage", gibt der Präsident eines Landes-Verfassungsschutzes zu. "Das Gericht fordert, und wir können nicht liefern. Möglicherweise wird der Prozess daran scheitern."

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