V-Mann-Affäre:Opposition verschärft Kritik am NPD-Verbotsverfahren

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Nach der Enttarnung von vier weiteren V-Leuten hat die Opposition im Bund ihre Kritik am NPD-Verbotsverfahren erneuert.

Susanne Höll und Helmut Kerscher

(SZ vom 16.2.2002) Berlin/Karlsruhe - FDP-Chef Guido Westerwelle verlangte, die drei Verbotsanträge beim Bundesverfassungsgericht zurückzuziehen und zu prüfen, ob neue Anträge ohne Aussagen von V-Leuten Aussicht auf Erfolg hätten. "Jetzt muss die Notbremse gezogen werden, sonst droht ein Desaster für die Demokratie", sagte er der Süddeutschen Zeitung mit Blick auf ein mögliches Scheitern des Verfahrens.

Die Unionsfraktion vermied eine Rückzugsforderung. Deren Vorsitzender Friedrich Merz verwies aber darauf, dass der Verbotsantrag des Bundestags auf Wunsch der rot-grünen Mehrheit im Parlament zu Stande gekommen sei. Sein Stellvertreter Wolfgang Bosbach nannte die vier neuen Fälle eine "weitere Belastung des Verfahrens".

Die Innenministerien im Bund und Bayern zeigten sich derweil optimistisch, dass das Verfahren die V-Mann-Affäre überstehen werde. Einen Grund für eine Rücknahme der Anträge sehen sie nicht. Der Sprecher von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), sagte, die Anträge seien gut begründet. Im bayerischen Innenministerium gab man sich überzeugt, dass nun keine weiteren V-Leute mehr auftauchen dürften. Dennoch wurde über weitere Fälle spekuliert. "Das ist noch nicht das Ende dieser Geschichte", sagte Westerwelle. Mittlerweile steht fest, dass zumindest zehn der etwa hundert in den Verbotsanträgen aufgeführten NPD-Vertreter V-Leute waren.

Mit Urteil in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen

Mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im NPD-Verbotsverfahren ist in diesem Jahr ohnehin nicht mehr zu rechnen. Das ergibt sich aus den neuen Stellungnahmen von Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag zur Tätigkeit von V-Leuten in der NPD, die am Montag und Donnerstag in Karlsruhe eingegangen sind.

Der Zweite Senat werde in beiden Fällen der Partei innerhalb einer noch zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Erwiderung geben, sagte Gerichtssprecherin Carola von Paczensky. Es gebe noch keinen Zeitplan des Gerichts, sagte sie, und verwies gleichzeitig auf das Arbeitsprogramm des Zweiten Senats und die Umbesetzungen an der Spitze des Gerichts. Demzufolge sind nach Ansicht von Beobachtern weitere prozessleitende Beschlüsse in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.

Fraglich ist vor allem das weitere Schicksal des Eröffnungsbeschlusses vom 1.Oktober, mit dem das Gericht die Verbotsanträge in ihrer damaligen Form für zulässig erklärt hatte. Dessen Grundlagen sind verändert, weil seinerzeit nichts über die Existenz der V-Leute bekannt war. Eine denkbare Konsequenz wäre die Aufhebung des Beschlusses. Danach könnte der Senat im Frühjahr darüber beraten, ob die Anträge noch zulässig und hinreichend begründet sind. Nach den jüngsten Entwicklungen ist nicht auszuschließen, dass Karlsruhe die Voraussetzungen für ein rechtsstaatlich einwandfreies Parteiverbotsverfahren nicht mehr sieht.

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