USA und Soldaten-Särge:Licht in der Halle der Toten

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Seit dem ersten Golfkrieg gab es aus dem Weißen Haus die Ansage, keine Fotos von Soldaten-Särgen zu zeigen. Jetzt erlaubt das Pentagon wieder Bilder von Soldaten-Särgen - unter einer Bedingung.

Kurt Kister

Wer glaubt, die Sprache der deutschen Behörden sei an Schrecklichkeit nicht zu übertreffen, der möge nach Amerika blicken. Auf dem Luftwaffen-Stützpunkt Dover im Ostküsten-Bundesstaat Delaware gibt es das Charles C. Carson Center for Mortuary Affairs. Dieses Zentrum für Leichenhallen-Angelegenheiten ist nach seinem langjährigen Direktor, einem Mister Carson, benannt.

Soldaten-Särge dürfen wieder in den Medien gezeigt werden - wenn die Angehörigen der Toten nichts dagegen haben. (Foto: Foto: AP)

Es ist eine Empfangsstation der besonderen Art: Seit 1955 werden Amerikaner, die im Dienste des Vaterlandes irgendwo in Übersee gestorben sind, nach Dover eingeflogen. Die meisten dieser bisher mehr als 50.000 Toten waren Soldaten, aber auch die Opfer des Space-Shuttle-Absturzes von 2003 oder tote Militärangehörige der Anschläge vom 11. September 2001 wurden im Leicheninstitut des Pentagon in Delaware identifiziert.

Journalisten dürfen wieder berichten

Dover ist jetzt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt, weil Verteidigungsminister Robert Gates gerade verkündet hat, dass Journalisten bald wieder von der Ankunft der in Sternenbanner gehüllten Särge berichten dürfen - wenn die Angehörigen der Toten nichts dagegen haben.

Seit dem ersten Golfkrieg, seit Februar 1991, gab es ein vom Weißen Haus erlassenes Verbot, bei dem es um Fotos und Fernsehbilder ging. George Bush Senior war der Urheber; Anlass für den Bann waren Fernsehberichte, in denen nach der US-Invasion in Panama 1989 auf einem geteilten Bildschirm, einem split screen, zweierlei zu sehen war: links die Ankunft der Särge in Dover, rechts der bei einer Pressekonferenz scherzende Präsident.

Auch Bill Clinton hielt das Fotoverbot aufrecht, sein Nachfolger George W. Bush machte es ebenso. Es gab allerdings immer wieder Ausnahmen: Im Oktober 2000 ließ Präsident Clinton über die Ankunft von Särgen mit Opfern des Terroranschlags auf ein US-Kriegsschiff berichten; ähnlich verfuhr die Regierung Bush bei 9/11-Toten oder bei den ersten Gefallenen aus Afghanistan. Die ausgewählten Bilder sollten Patriotismus, Opferbereitschaft und Wehrwillen stärken; diese Sarg-Fotos waren sogar erwünscht.

Symbol des Versagens

Grundsätzlich allerdings sind Bilder der flaggenumhüllten Särge, die aus Afghanistan und dem Irak eintreffen, sinistre Symbole für das Versagen der Politik. Amerikas Regierende haben diese Erfahrung schon während der Vietnam-Jahre gemacht; bis heute glauben viele Amerikaner, Vietnam sei in den und wegen der Medien verloren worden und nicht auf dem Schlachtfeld. Hinzu kommt, dass in kaum einem anderen Land der Welt so intensiv Vorsorge für die Bergung und den Heimtransport Gefallener getrieben wird wie in Amerika.

Die Erforschung des Schicksals Vermisster aus dem Vietnamkrieg geriet unter der Regierung Reagan zu einer Obsession. Überall in den USA gibt es Krieger- und Veteranenfriedhöfe, darunter der berühmte Nationalfriedhof in Arlington bei Washington. Anders als in Deutschland ist die Militärtradition in den Vereinigten Staaten ungebrochen, wozu auch rituelle Trauer und Veteranenbegräbnisse zählen.

Offenbar fürchtet Präsident Barack Obama nun den sogenannten Dover-Test nicht mehr. Dieser Begriff steht in den USA dafür, dass sich die Glaubwürdigkeit der Außenpolitik einer Regierung letztlich daran misst, ob die Bevölkerung einen Militäreinsatz trotz der Zahl der in Dover ankommenden Särge für richtig hält. Im Falle Irak und Bush ist das Urteil längst gefällt, was durch die Liberalisierung der Berichterstattung aus der Halle der Särge eigentlich nur bestätigt wird.

© SZ vom 28.2.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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