USA und Atomwaffen:Rückkehr zur Abrüstung

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Zerstören statt nur einmotten: Der künftige US-Präsident Barack Obama plant "dramatische Einschnitte" in die Atomwaffen-Arsenale.

Paul-Anton Krüger

Präsident George W. Bush war 2001 kaum im Amt, da machten sich seine neokonservativen Hintersassen daran, die Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten umzukrempeln. Sie propagierten eine Weltordnung, an deren Spitze Amerika stehen sollte, unangefochten und versehen mit weltweiter Handlungsfreiheit. Die internationale Sicherheitsarchitektur mit ihrer tragenden Säule, der Rüstungskontrolle, galt ihnen als Relikt des Ost-West-Konflikts, das Amerikas Macht unnötig Fesseln anlege. Die viel kritisierte Kündigung des ABM-Vertrages, der einer Raketenabwehr entgegenstand, war die augenscheinlichste Folge dieser Doktrin.

Barack Obama will Obergrenzen für strategische Atomwaffen - wie hier eine Interkontinentalrakete des Typs Minuteman III. (Foto: Foto: AFP)

In keinem anderen Feld der Außenpolitik wird sich die von Barack Obama versprochene Abkehr von den Maximen der Bush-Regierung absehbar so radikal und schnell vollziehen: Der gewählte Präsident hat im Wahlkampf detailliert dargelegt, dass er den Verträgen zur Renaissance verhelfen will und bereit ist, die Supermacht rechtlich einzuhegen. Das umzusetzen, hat die neue Regierung schon bald Gelegenheit: Der Start-I-Vertrag mit Russland läuft Ende 2009 aus.

Er enthält Obergrenzen für strategische Atomwaffen und deren Trägersysteme. Erst nach langem Zögern hat die Bush-Regierung Moskau jüngst Vorschläge für ein Nachfolgeabkommen unterbreitet. Dieses auszuhandeln wird aber Obama überlassen bleiben. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte kürzlich, man habe Obamas Positionen studiert und hoffe, mit ihm konstruktiver über Lösungen reden zu können. Obama strebt an, die Verifikationsregeln des Abkommens zu verlängern, die es den Parteien ermöglicht zu prüfen, ob die Gegenseite den Vertrag einhält. Russland hat immer auf Inspektionen und Datenaustausch beharrt, die darin vorgesehenen sind.

Obamas Ziel: "Echte und nachprüfbare" Reduktion

Ob neue Limits für Waffensysteme gesetzt werden, ist unklar, jedoch gibt Obama als überwölbendes Ziel seiner Politik an, alle Atomwaffen abzuschaffen. Die USA werden zwar weiterhin nicht einseitig auf ihr Abschreckungspotential verzichten, Obama will den USA in der Abrüstung aber eine führende Rolle geben und "dramatische Einschnitte in die Arsenale" erreichen. Schnellstmöglich soll die Zahl der aktiven strategischen Atomwaffen auf die im 2001 geschlossenen Moskauer Vertrag festgelegte Grenze von 1700 bis 2200 Sprengköpfe reduziert werden; ein Niveau, das der Vertrag erst für 2012 anvisiert. Die Bush-Regierung hat damit bereits begonnen. Zu Jahresbeginn besaßen die USA insgesamt noch 5400 einsatzfähige Atomwaffen, Russland etwa 5200.

Obama strebt nach eigenen Aussagen im Fachblatt Arms Control Today eine "echte und nachprüfbare" Reduktion an, was beinhaltet, Sprengköpfe und Trägersysteme dauerhaft und unter Überwachung unbrauchbar zu machen. Die Bush-Regierung dagegen bevorzugte, die Waffen nur einzumotten, wodurch sie bei Bedarf schnell zu reaktivieren sind. Das US-Militär dürfte sich den Einschnitten kaum widersetzen, kostet der Unterhalt der Waffen doch Milliarden, die man lieber für Ausrüstung ausgeben würden, die etwa im Irak dringend gebraucht wird.

Zudem lehnt es Obama ab, neue Waffen zu entwickeln oder damit verbundene Projekte voranzutreiben. Die Bush-Regierung dagegen hatte Studien zu bunkerbrechenden Atombomben und Waffen mit geringer Sprengkraft aufgelegt, die erst der Kongress stoppte, indem er das Geld dafür verweigerte. Nicht völlig klar ist, ob Obama auch den sogenannten Reliable Replacement Warhead stoppen will, eine Studie für einen neuen, einfach konstruierten Sprengkopf. Die Bush-Regierung wollte ihn ohne vorherige Atomtests einführen, offiziell um alternde Bomben nach und nach zu ersetzen und auf Dauer ein zuverlässiges Arsenal zu gewährleisten. Obama hat zumindest vor einer "voreiligen Entscheidung" für das Programm gewarnt.

Bringen er oder die demokratische Mehrheit das Projekt im Kongress zu Fall, ginge davon ein starkes Signal aus, dass die USA ihre Abrüstungsverpflichtung aus dem Atomwaffensperrvertrag ernst nehmen. Die Überprüfungskonferenz zu dem Abkommen im Jahr 2005 war maßgeblich daran gescheitert, dass die USA sich weigerten, die mangelnde Abrüstung der Atommächte zu thematisieren. Dadurch verschärfte sich die Krise des Abkommens, das der wichtigste rechtliche Grundpfeiler ist, um zu verhindern, dass Atomwaffen weiterverbreitet werden. Kein Wunder also, dass der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, Mohamed ElBaradei, nach Obamas Äußerungen darauf hofft, "dass die Bemühungen für eine wirkungsvolle Rüstungskontrolle nun wieder in Gang kommen".

Auf Clintons Spuren

Vervollständigt wird der Kurswechsel Obamas durch die Ankündigung, er werde dem Kongress so bald wie möglich den Atomteststoppvertrag zu Ratifizierung vorlegen. Nachdem dieser unter Bill Clinton im damals von den Republikanern dominierten Senat knapp gescheitert war, hatte Bush darauf verzichtet, ihn erneut einzubringen. Stattdessen wies seine Regierung die Waffenlabors an, die Vorbereitungszeit für einen Test von drei Jahren um die Hälfte zu verkürzen. Erst jüngst sagte Verteidigungsminister Robert Gates, neue Tests seien auf Dauer unvermeidlich. Und während Bushs Sternenkrieger im Januar noch einen taumelnden Spionagesatelliten vom Himmel holten und damit demonstrierten, wozu die umstrittene Raketenabwehr noch in der Lage ist, unterstützt Obama ein Testverbot für Anti-Satelliten-Waffen. Dahingehende Vorschläge hatten die USA bei der UN-Abrüstungskonferenz in Genf stets blockiert.

Weniger konkret sind Obamas Aussagen zum geplanten Raketenschild, den er als "möglichen Beitrag" zum Schutz gegen Angriffe mit Massenvernichtungswaffen bezeichnet hat. Russland will darüber im Paket mit dem Start-I-Vertrag verhandeln. Obama versichert, er werde die in Tschechien und Polen geplante Komponente des Systems "nur mit Zustimmung der Verbündeten" verwirklichen. Und er sagte, zuvor müsse die Technik sich unter Einsatzbedingungen als zuverlässig erweisen. Unabhängige Experten bezweifeln, dass dies gelingen wird. Auch warf Obama der Bush-Regierung vor, mit den Ausgaben für das Sytsem von zehn Milliarden Dollar pro Jahr falsche Prioritäten zu setzen. Er will den Fokus darauf legen, radioaktive Stoffe besser vor Diebstahl zu sichern und die Produktion von neuem Bombenmaterial vertraglich zu verbieten.

© SZ vom 12.11.2008/cag/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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