USA-Russland:Ein Feind, der zusammenschweißt

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Die USA und Russland wollen im Syrien-Krieg enger kooperieren. Im Kampf gegen die Al-Nusra-Front planen sie ein Hauptquartier, um die Terrorgruppe ins Visier zu nehmen.

Von Hubert Wetzel, Julian Hans, Washington/Moskau

Die US-Regierung strebt offenbar eine engere militärische Zusammenarbeit mit Russland im Kampf gegen Islamisten in Syrien an. Wie die Washington Post unter Berufung auf ein Planungspapier berichtet, wollte US-Außenminister John Kerry bei seinem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Donnerstag vorschlagen, dass Russen und Amerikaner ihre Luftangriffe auf Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und die Islamistengruppe Nusra-Front künftig gemeinsam planen. Dazu solle in Jordanien ein neues Hauptquartier aufgebaut werden, in dem russische und amerikanische Militärvertreter und Geheimdienstler zusammen Ziele aussuchen. Auch die Luftangriffe selbst sollten gemeinsam geflogen werden.

Sollte der Plan in die Praxis umgesetzt werden, wäre das eine Art Neuanfang für beide Seiten. Bisher bombardierte die russische Luftwaffe in Syrien vor allem Stellungen von Rebellengruppen, die gegen Diktator Baschar al-Assad kämpften, einen Verbündeten Moskaus. Die USA versuchten hingegen, den IS mit Luftangriffen zurückzudrängen. Beide Seiten reden miteinander, aber nur, um gefährliche Zwischenfälle zu vermeiden.

Nun soll nach Washingtons Wunsch vor allem die Nusra-Front zum gemeinsamen Angriffsziel werden. Amerika würde dadurch seinen Anti-Terror-Einsatz in Syrien erweitern - die Nusra-Front ist ein Ableger des Netzwerkes al-Qaida -, zugleich aber einen der Hauptgegner des Assad-Regimes schwächen. Dass Präsident Barack Obama von seinem ursprünglichen Ziel, Assads Sturz, abgerückt ist und dem Kampf gegen die Islamisten Vorrang einräumt, zeichnet sich seit Längerem ab. Die angestrebte neue Zusammenarbeit mit Moskau würde diesen Kurs besiegeln.

Obama, lange von den Medien verteufelt, wird in Moskau nun als der neue Partner dargestellt

Moskau selbst verfolgt seit dem Frühjahr einen neuen Kurs gegenüber dem Westen: versöhnlich in der Rhetorik, aber weiterhin kompromisslos in der Sache. So hofft Russland, die lästigen Sanktionen loszuwerden, die wegen der Annexion der Krim verhängt wurden, und aus der internationalen Isolation herauszukommen - ohne freilich die Gewinne wieder preiszugeben. Und Assad wird im Kreml zwar nicht geliebt, bleibt aber der Garant des russischen Einflusses im Nahen Osten.

Obama, lange von den russischen Medien verteufelt, wird nun als der neue Partner präsentiert: Endlich hätten die Amerikaner ein Einsehen und redeten mit Russland auf Augenhöhe, heißt es. Anfang Juli hatte Putin die westlichen Staaten als Partner in einer "breiten Anti-Terror-Front" bezeichnet. Russland sei daran interessiert, "in internationalen Fragen eng mit den Vereinigten Staaten zusammenzuarbeiten".

Moskaus Politik der gesteuerten Konfrontation mit dem Westen sei zwar innenpolitisch sehr populär gewesen, sagt der russische Außenpolitik-Experte Wladimir Frolow. Mehr als 60 Prozent der Russen halten die Außenpolitik ihrer Regierung für erfolgreich. Doch der Preis dafür ist hoch: Der Anspruch Moskaus, im gesamten postsowjetischen Raum mitzureden, werde nicht akzeptiert. Die Sanktionen bremsen die ohnehin schrumpfende Wirtschaft. Die Nato hat sich als Verteidigungsbündnis gegen Russland neu aufgestellt. In Syrien hat Moskau zwar Assad gerettet, sich aber auch zu dessen Geisel gemacht. Assads Ankündigungen, das ganze Land zurückerobern zu wollen, wecken in Moskau keine Begeisterung.

Nähme Putin Obamas Vorschlag an, gäbe es in Syrien de facto eine russisch-amerikanische Waffenbrüderschaft zugunsten Assad. Moskau wünscht sich das seit Langem. Allerdings würde die Kooperation mit Washington auch verlangen, dass Russland seine Alleingänge in Syrien beendet. Für die USA dürfte das ein wichtiger Teil der Abmachung sein: Bisher hatte Washington keinerlei Einfluss darauf, wen die Russen in Syrien bombardieren. Ein gemeinsamen Hauptquartier - die sogenannte Joint Implementation Group (JIG) -, in dem Ziele ausgewählt, Angriffe geplant und womöglich gesteuert werden, würde zumindest einen gewissen Einfluss geben und den Spielraum der russischen und syrischen Luftwaffe einschränken.

Zudem könnte die neue Zusammenarbeit die Bereitschaft von Moskau und Damaskus steigern, endlich die vereinbarten Schritte hin zu einer Waffenruhe zu tun. US-Außenminister Kerry sieht diese Chance offenbar.

© SZ vom 15.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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