USA-Reise:Merkel will "offenen und ehrlichen Dialog" mit Washington

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Zum Auftakt ihres Amerika-Besuchs hat die Bundeskanzlerin die Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und den USA betont. Direkte Kritik - etwa an Guantanamo - übte Merkel bei ihrer Begrüßungsrede vor hochrangigen Politikern nicht. Am Nachmittag wird sich die Kanzlerin mit US-Präsident Bush treffen.

Zum Auftakt ihres Washington-Besuchs hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und den USA in den Vordergrund gestellt.

Angela Merkel und Ex-Außenminister Colin Powell in der deutschen Botschaft. (Foto: Foto: Reuters)

"Ich bin zu Gast bei Freunden", sagte sie am Donnerstagabend vor fast 200 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in Washington.

Merkel sprach sich für einen "offenen und ehrlichen Dialog" mit den USA auch in strittigen Fragen wie der Terrorismusbekämpfung aus.

In ihrer Rede zeichnete sie die Welt nach dem Kalten Krieg als von "völlig neuen Herausforderungen" geprägt.

Als gemeinsam zu bewältigende Herausforderungen nannte sie neben dem Kampf gegen den Terror die Globalisierung ebenso wie den Atomstreit mit dem Iran und die Stabilisierung des Balkans. Ihr Ziel sei ein offener Dialog mit den USA.

Bei der Bekämpfung des Terrorismus, die schwieriger sei als der Kalte Krieg, gebe es "Licht und Schattenseiten". Beide Seiten seien hier in einem "Lernprozess". Schlimm wäre es, wenn sich die eine oder andere Seite der Diskussion verweigern würde.

Die Globalisierung sei ein schwieriger Prozess auch für die USA. In den nächsten Jahren müsse entschieden werden, "machen wir das miteinander oder gegeneinander".

Merkel griff Iran auf der Veranstaltung scharf an. "Der Iran provoziert." Der Staat habe auch "rote Linien überschritten", sagte die Kanzlerin mit Blick auf die Wiederaufnahme der Urananreicherung durch die Regierung in Teheran.

Kritik an Teheran

Deutschland arbeitete mit den anderen Ländern daran, "dem Iran zu zeigen, dass sich die internationale Staatengemeinschaft nicht provozieren lässt". Der Iran werde Deutschland und die USA noch lange beschäftigen. Sie sei hier aber optimistischer als seinerzeit beim Thema Irak.

Die Staatengemeinschaft sollte in der Krise "eine möglichst breite Grundlage" finden, meinte Merkel. Sie würdigte in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA.

In ihrer Rede und in ihren Antworten auf Fragen wiederholte Merkel nicht ihre Vorbehalte gegen die dauerhafte Existenz des umstrittenen US-Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba.

Sie sprach aber davon, dass es in der Frage der Bekämpfung des Terrorismus "unterschiedliche Einschätzungen" gebe. Mit Blick auf das deutsch-amerikanische Verhältnis meinte sie aber auch in diesem Zusammenhang: "Wir müssen die Kraft aufbringen, eine neue Etappe anzugehen."

Aus den Reihen von SPD, Grünen und FDP war vor der Reise die Forderung gekommen, Merkel möge in Washington ebenfalls wie in Deutschland ihre Haltung vortragen, dass das Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba auf Dauer nicht existieren solle.

Was Russland angehe, wolle Deutschland in Europa die Rolle des Mittlers übernehmen, sagte die Kanzlerin. Merkel sprach sich dafür aus, Russland nicht eins zu eins an westlichen Erfahrungswerten zu messen. Zugleich dürfe der Westen jedoch den Disput nicht scheuen. Er müsse willens zur strategischen Partnerschaft sein und seine eigenen Werte verteidigen.

Debatte über Zukunft der UN

Nachdrücklich warb die Kanzlerin für eine Debatte über die Zukunft der Vereinten Nationen. Man müsse die internationalen Organisationen zu dem Ort machen, wo gemeinsame Entscheidungen getroffen würden, sagte Merkel.

Dabei müsse man sich auch der Frage stellen: "Wie muss das Völkerrecht aussehen, das den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts entspricht?" Auch darüber müsse ein Dialog mit den USA geführt werden, auch wenn es auch hier momentan noch Meinungsunterschiede gebe.

Merkel warb ferner für eine Stärkung der Nato. Sie müsse wieder zu der Institution gemacht werden, wo die westlichen Länder ihre strategischen und politischen Diskussionen führten. Nur dann könne auch die Nato "zu einem umfassenden Akteur im Kampf gegen den internationalen Terrorismus werden."

Beim Abendessen in der Residenz des deutschen Botschafters zeigte sich Merkel "schon ein Stück beeindruckt über den ungeheuren Empfang". Sie freue sich, dass über Dinge, "die einen bewegen", wieder "in offener Form diskutiert werden kann".

Zu den Gästen zählten US-Zentralbankchef Alan Greenspan und die ehemaligen US-Außenminister Madeleine Albright und Colin Powell. Am Freitag wird die Kanzlerin von US-Präsident George W. Bush im Weißen Haus empfangen. Am Mittagessen nimmt auch US-Außenministerin Condoleezza Rice teil.

Heute wird die Kanzlerin erstmals nach ihrem Amtsantritt mit US-Präsident George W. Bush im Weißen Haus zusammenkommen.

Eine halbe Stunde unter vier Augen

Von dem Treffen mit Bush wird erwartet, dass beide Seiten die gesamte Palette der internationalen Themen - insbesondere den Atomkonflikt mit Iran ansprechen werden. Bush und Merkel werden im Weißen Haus zunächst eine halbe Stunde unter vier Augen sprechen, heiß es aus Regierungskreisen.

Dann wird die Unterredung im Oval Office im Kreis der Delegationen fortgesetzt. Nach etwa anderthalb Stunden ist eine Begegnung mit der Presse vorgesehen. Im Anschluss daran ist ein gemeinsames Mittagessen geplant, zu dem voraussichtlich noch andere Mitglieder der US-Regierung stoßen werden, wie Vize-Präsident Richard Cheney.

Insgesamt werden Bush und Merkel insgesamt drei Stunden zusammen sein. Diese Dauer wurde von Berliner Regierungskreisen schon vorher als "ungewöhnlich hoch bezeichnet". Merkel und Bush haben sich bislang erst einmal kurz getroffen.

Bei seinem Deutschland-Besuch vor knapp einem Jahr hatte Bushs Delegation das deutsche Protokoll ausdrücklich gebeten, auch die damalige Oppositionsführerin zu sehen. Die Begegnung dauerte damals 15 Minuten.

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