USA-Besuch des Papstes:Benedikt XVI. fordert wirksamen Schutz der Menschenrechte

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Appell an die Staatengemeinschaft: In seiner Rede vor den Vereinten Nationen plädiert der Papst für humanitäre Interventionen als letztes Mittel.

Christian Wernicke

Papst Benedikt XVI. hat die Staatengemeinschaft ermahnt, notfalls auch durch humanitäre Interventionen Menschen vor Krieg und Not zu bewahren. Im Falle schwerer Menschenrechtsverletzungen oder Krisen sei die internationale Gemeinschaft zum Handeln verpflichtet, erklärte das katholische Kirchenoberhaupt am Freitag laut dem Text der Rede, die er am Nachmittag vor den Vereinten Nationen halten wollte.

Bei einer Messe in einem Washingtoner Baseballstadion erteilt Papst Benedikt einem US-Soldaten die Kommunion (Foto: Foto: Reuters)

Solche Einmischung sei niemals ungerechtfertigter Zwang oder eine Begrenzung nationaler Souveränität: "Im Gegenteil, es sind Gleichgültigkeit oder das Versäumnis zum Einschreiten, die den wirklichen Schaden anrichten." Ausdrücklich unterstützte der Papst das von den Vereinten Nationen jüngst etablierte Prinzip der "Verantwortung zum Schutz". Diese Schutzpflicht stärkt das Recht der Völkergemeinschaft, im Falle internationaler Krisen letztlich auch mit militärischen Mitteln die notleidende Zivilbevölkerung vor Hunger und Gewalt zu bewahren.

Allerdings vermied es der Papst, sich zu den konkreten Mitteln und Methoden zu äußern, mit denen die UN dieser Pflicht gerecht werden sollten. Er forderte nur, auch die mächtigsten Staaten seien verpflichtet, stets das Völkerrecht zu respektieren. Internationale Regeln seien keine Einschränkung der Freiheit.

Vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen forderte Benedikt XVI., nach neuen Wegen zum Schutz der Menschen in aller Welt zu suchen. Wichtig sei vor allem, schon zu handeln, bevor es zu Krisen komme. Zur Lösung von Konflikten sollten "alle nur möglichen diplomatischen Wege genutzt werden" und "selbst das schwächste Zeichen von Dialog und des Wunsches nach Versöhnung" beachtet werden.

Der Papst lobte die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als Grundlage für alle Völker, Kulturen und Religionen. Zum Schluss seiner in französischer und englischer Sprache vorgetragenen Rede deutete er seinen Besuch als "Zeichen der Wertschätzung" für die Vereinten Nationen.

Er hoffe, dass die UN "zunehmend der gesamten menschlichen Familie dienen wird." Er forderte die Staatenwelt zu mehr Solidarität mit den Menschen in Entwicklungsländern und insbesondere in Afrika auf und verlangte mehr Anstrengungen zum Schutz von Umwelt und globalem Klima.

Das katholische Oberhaupt forderte die Regierungen der Welt auf, die Religionsfreiheit zu respektieren. Niemand habe das Recht, die Bürgerrechte der Gläubigen zu beschränken: "Es sollte niemals notwendig sein, Gott zu verleugnen, um sich seiner Rechte zu erfreuen." Dazu zähle auch, gläubigen Menschen die Freiheit zu gewähren, sich in der Gesellschaft zu engagieren.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie die überraschende Begegnung des Papstes mit Missbrauchs-Opfern verlief.

Anlass der Rede vor den UN ist der 60. Jahrestag der Verkündung der Charta der Menschenrechte. Benedikt XVI. hatte zuvor wiederholt den Respekt für Menschenrechte und vor allem für religiöse Freiheiten eingefordert. Vor Benedikt hatten die Päpste Paul VI. (1965) und Johannes Paul II. (1979 und 1995) vor den Vereinten Nationen gesprochen.

Amerikanische Medien bewerteten die Papstreise bislang überaus wohlwollend. Dazu trug vor allem bei, dass Benedikt XVI. mehrmals den Skandal um die tausendfache Misshandlung von Minderjährigen durch katholische Priester offen ansprach und in einer Messe mit 45000 Gläubigen dazu aufrief, "diese Wunden zu heilen".

Überraschend empfing der Papst in der Nacht zum Freitag fünf ausgewählte Opfer zu einer privaten Audienz. Er sprach den Betroffenen sein Mitleid aus und entschuldigte sich für die Vergehen von Mitgliedern des Klerus. Augenzeugen berichteten, mehrere seiner Gesprächspartner seien "extrem gerührt" gewesen und in Tränen ausgebrochen. Zwei Teilnehmer des Treffens überreichten dem Papst Fotos von sich, die die Opfer zum Zeitpunkt des Missbrauchs durch einen katholischen Priester zeigten.

"Ich habe gesagt: 'Heiliger Vater, Sie müssen wissen, dass Sie einen Krebs in Ihrer Herde haben. Ich hoffe, Sie werden etwas tun gegen dieses Problem'", berichtete Bernie McDaid, ein Opfer aus Boston. Der Papst habe daraufhin seinen Blick gesenkt und geantwortet: "Ich weiß, was Sie meinen." Ein anderer Betroffener lobte, das Treffen sei "völlig ungefiltert und offen von Angesicht zu Angesicht" verlaufen.

Unmittelbar vor seiner Ankunft in den USA hatte der Pontifex bereits angekündigt, Pädophile aus dem Kirchendienst zu entlassen. Dazu erwägt der Vatikan offenbar auch, sein Kirchenrecht zu verschärfen.

© SZ vom 19.04.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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