US-Wahlkampf:Hollywood spielt die Hauptrolle

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Ein einziges Konzert von Barbra Streisand spielte den Demokraten fünf Millionen Dollar ein. Die Film- und Musikindustrie ist für die Demokraten zu einer der wichtigsten Finanzsäulen geworden.

Von Wolfgang Koydl

Washington - Wenn man Präsident der Vereinigten Staaten werden will wie John Kerry, dann nimmt man nicht mehr jedes Telefongespräch persönlich an - es sei denn, Ehefrau Teresa wäre in der Leitung, der Papst, Präsident George Bush - oder Barbra Streisand.

Singen für John Kerry: Diva Streisand im Sommer im Walt-Disney-Konzertsaal in Los Angeles. (Foto: Foto: AP)

Ja, im Fall des demokratischen Präsidentschaftskandidaten kann man wohl davon ausgehen, dass er für den Hollywood-Star die anderen prominenten Anrufer sogar in der Warteschleife hängen lässt. Denn nur Barbra Streisand kann ihm bieten, was in der amerikanischen Politik wirklich unverzichtbar ist: Geld, sehr viel Geld.

Ein einziges Konzert, das die Diva im Sommer im Walt-Disney-Konzertsaal in Los Angeles für Kerry und die Demokraten gab, spielte fünf Millionen Dollar ein.

"Ein Abend mit John Kerry und Freunden" lautete der Titel der Veranstaltung, und die Liste dieser Freunde las sich wie der Abspann eines Hollywood-Blockbusters der Extraklasse: Ben Affleck und Warren Beatty, Robert De Niro und Danny De Vito, Leonardo Di Caprio und Rob Reiner, Dustin Hoffman und Ben Stiller.

Zu einem zweiten Konzert, das kurz darauf auf der gegenüberliegenden Seite Amerikas in Manhattan gegeben wurde, fanden sich Jon Bon Jovi, Bette Midler, Robin Williams und Whoopi Goldberg ein. Letztere machte bei dieser Gelegenheit von sich reden, indem sie haarige Parallelen zwischen dem Nachnamen des Präsidenten und Teilen der weiblichen Intim-Anatomie zog.

Fünf Millionen Dollar für ein Konzert sind freilich nur ein Tropfen in einem Ozean von finanziellen Zuwendungen, die Hollywood traditionell den Demokraten zukommen lässt. Auch Barbra Streisand tut mehr, als nur für die Partei zu singen: Keine Einzelperson treibt mehr Spenden für die Demokraten ein als sie.

Alles in allem hat die Film- und Unterhaltungsindustrie allein für Präsidentschafts- und Kongresswahlen seit 1994 den Demokraten rund einhundert Millionen Dollar zugesteckt - etwa genauso viel, wie die Öl- und Gas-Multis ihren Spezis von der Republikanischen Partei zukommen ließen.

Hollywood ist denn auch eine der drei tragenden Finanzsäulen der Demokraten - neben Gewerkschaften und millionenschweren Star-Anwälten. "Geld zu sammeln ist immer harte Arbeit", konstatierte in diesem Zusammenhang das renommierte Monatsblatt The Atlantic. ¸¸Aber es macht mehr Spaß, dabei mit Sharon Stone und Cameron Diaz in Pacific Palisades an einem Pool herumzuhängen", als mit einem Gewerkschaftsboss Burger in einem Schnellimbiss zu verdrücken.

Die Republikaner von Präsident George Bush haben es hingegen nie geschafft, in den Nobelvierteln zwischen Bel Air, Beverly Hills und Brentwood nennenswerte Unterstützung durch die Reichen, Schönen und Berühmten zu finden.

Der vom Terminator zum Gouvernator gewandelte Arnold Schwarzenegger ist die bekannteste Ausnahme von dieser Regel; dazu gesellen sich ein Uralt-Star wie Charlton Heston sowie Bruce Willis, Tom Selleck und so unterschiedliche Personen wie der Jesus-Filmer Mel Gibson und die mittlerweile entschärfte Sexbombe Bo Derek. Sie sieht sich ob ihrer politischen Präferenzen gar als politisch verfolgt: "Man hat mir gesagt, dass ich nie wieder Arbeit finden würde", klagte sie einem Reporter.

In ihrem Fall mag dies freilich eher auf mangelndes Talent zurückzuführen sein; aber tatsächlich scheuen sich gerade weniger bekannte Schauspieler, Anfänger und Angehörige technischer Berufe in der Filmwelt, ein Bekenntnis zu den Republikanern abzulegen. In einer Welt, in der Drehbuchautoren, Regisseure und Studiobosse generell die andere Partei bevorzugen, denkt man eher an die eigene Karriere als an die Weltanschauung. Wichtiger als der Wahlzettel ist die Besetzungsliste für den nächsten Film.

Die größten Geldgeber für die Demokraten in Hollywood sind gar nicht die Schauspieler mit den glitzernden Namen. Im Gegenteil: Es ist eines der best gewahrten und schmutzigsten Geheimnisse von Tinseltown, dass sich einige der Akteure und Aktricen sogar dafür bezahlen lassen, wenn sie bei so genannten Fundraiser-Partys auftreten, um mit ihrer Starpower potente Geldgeber anzulocken.

Die wirklich dicken Schecks werden von Medienmogulen wie Haim Saban, von Studiobossen wie Alan Horn (Warner Brothers), von Top-Regisseuren wie Rob Reiner und Stephen Spielberg oder von milliardenschweren Produzenten wie Steve Bing und Ron Burkle ausgestellt.

Saban zum Beispiel schoss aus eigener Tasche sieben Millionen Dollar zum neuen Hauptquartier der Demokratischen Partei in Washington zu. Burkle, der sein Vermögen mit Supermärkten machte, spendete in den Wahljahren 2000 und 2002 mehr als 1,5 Millionen Dollar für demokratische Kandidaten. Unerreicht freilich ist Steve Bing, der wegen seiner Brutalo-Amouren mit Stars und Starlets von der britischen Presse den Spitznamen "Bing Laden" verpasst bekam.

"Mein Traum ist es, (zu einem Spender) sagen zu können: ,Ach, jetzt halt" doch den Mund und stell" endlich den verdammten Scheck aus"", erklärte ein demokratischer Politstratege. "Bei Bing geht das."

In diesem Jahr hatte Bing ursprünglich auf den strahlenden Sunnyboy John Edwards aus North Carolina als aussichtsreichen demokratischen Präsidentschaftsbewerber gesetzt. Kerry, der eher wenig unterhaltsame Senator aus Massachusetts, fing in der Hochburg des Entertainments lange Zeit überhaupt kein Feuer.

"Am Anfang, als John Edwards in die Stadt kam, da wurde er von allen auf die Besetzungscouch gelegt und man kam zu dem Schluss: Mein Gott, das ist Bill Clinton", erinnerte sich ein um Anonymität bittender politischer Consultant, der eine so genannte Hollywood-Celebrity berät. "Edwards hat Charme, er kommt aus dem Süden, und deshalb glaubten alle, dass er einen großartigen Kandidaten abgeben würde."

Diese Begeisterung ist mittlerweile verpufft, nicht zuletzt deshalb, weil Edwards sich an dem großen Vorbild Clinton eben doch nicht messen konnte. Denn mit Clinton konnten sich die Film- und Fernsehleute identifizieren, als sei er einer der ihren.

"Clinton war wie ein Rockstar", formulierte es Rob Reiner, einer der einflussreichsten Geldgeber Hollywoods. "Und die Leute hier mögen Stars." Der ehemalige US-Präsident bewegte sich mit selbstverständlicher Leichtigkeit auf den Partys der großen Stars: Ob Oscar-Verleihung oder Oval Office - ihm war jede Rolle auf den Leib geschneidert.

Clinton verkörperte wahrscheinlich auch am besten die Wechselwirkung zwischen Washington und Hollywood, die der Drehbuchautor Roger Lowenstein einmal als "gegenseitige Masturbation" bezeichnete: "Beide wollen sie die eine Sache, die der andere hat und die sie selbst nicht haben": Hollywood verzehrt sich nach Solidität, Washington nach Glamour.

Am besten wird das fruchtbare Spannungsverhältnis zwischen den beiden Städten mit dem kalifornischen Bonmot beschrieben, wonach Washington letzten Endes auch nichts anderes sei als Hollywood - aber eben für hässliche Menschen.

Rund 80 Prozent aller in Hollywood gesammelten politischen Spenden kommen den Demokraten zugute - doch im Gegensatz zu anderen mächtigen Lobbys wie der Tabak-, der Energie- oder der Pharma-Industrie kaufen sich die Unterhaltungsgrößen im Allgemeinen keinen politischen Einfluss. Ja, noch nicht einmal Steuernachlässe für die Studios haben sie je herausgeschlagen.

David Geffen, der milliardenschwere Mitbegründer der DreamWorks-Studios, trieb in den neunziger Jahren 20 Millionen Dollar für Clinton und die Demokraten ein. Das Einzige, was er als Gegenleistung bekam, war eine Übernachtung im historischen Lincoln-Schlafzimmer im Weißen Haus. "Was die Politik betrifft", so schrieb The Atlantic nüchtern, "begnügt sich Hollywood damit, blanko zu unterschreiben und das tiefe Denken anderen zu überlassen."

Manchmal freilich ist das auch besser, wie das Beispiel von Jessica Simpson zeigt. Als die Schauspielerin unlängst der amerikanischen Innenministerin Gale Norton vorgestellt wurde, musste sie nur ganz kurz nachdenken, bevor ihr die richtige Bemerkung einfiel: "Die neue Innendekoration des Weißen Hauses ist Ihnen aber hervorragend geglückt."

© SZ vom 22.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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