US-Vorwahlen: Auf den Spuren der "Obamania":"Obama steht für Hoffnung"

Die "Obama"-Welle hat die USA erfasst. sueddeutsche.de hat einen Sozialkundelehrer aus Wisconsin gefragt, was sich die Schüler von Barack Obama erhoffen - und warum sie sich von Hillary Clinton abwenden.

Ivo Marusczyk

sueddeutsche.de: So spannend wie am gestrigen Dienstag waren die Wahlen in Wisconsin schon lange nicht, oder?

John Jacobson: Seit Jahren komme ich immer um fünf vor sieben Uhr zum Wahllokal und bin sonst immer der Erste. Gestern war ich zur selben Zeit da und war der 19. Wähler. Stellen Sie sich das vor: Wir hatten in Wisconsin 15 Grad minus und trotzdem die höchste Wahlbeteiligung der letzten Jahrzehnte.

sueddeutsche.de: Sie unterrichten Sozialkunde und Politische Theorie an einer Highschool. Stimmt es, dass Barack Obama vor allem bei den Jungwählern sehr gut ankommt? Was sagen Ihre Schüler über die Wahl?

Jacobson: Obama ist tatsächlich sehr populär bei den jungen Leuten. Ich unterrichte seit 19 Jahren Politische Theorie und Sozialkunde. Aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Dutzende meiner Schüler wollten Obama sehen und sind zu seinen Veranstaltungen gegangen. Und das heißt ja nicht einfach, dass man in die Halle reinspaziert. Nein, sie haben es in Kauf genommen, stundenlang vor der Halle zu warten. Als ginge es um ein Rockkonzert!

sueddeutsche.de: Dabei dürfen ja nur die ältesten Ihrer Schüler wählen.

Jacobson: Ja, die meisten sind noch keine 18. Aber so eine Begeisterung für eine Wahl habe ich trotzdem noch nie erlebt.

sueddeutsche.de: Und zu Hillary Clinton wollte keiner?

Jacobson: Doch, einige haben auch Wahlkampfveranstaltungen von ihr besucht. Aber ich schätze, auf einen Schüler, der Clinton gesehen hat, kommen mindestens zwölf, die bei Obama waren. Ich habe auch Schüler, die sind nicht nur hier in Milwaukee zu Obama-Veranstaltungen gegangen, sondern auch noch nach Racine oder Madison gefahren. Die haben ihn also gleich dreimal gehört.

sueddeutsche.de: Und was ist mit den Republikanern?

Jacobson: Die gibt es natürlich auch hier in Shorewood. Aber die halten sich zur Zeit eher bedeckt und sprechen nicht so viel über die Wahl.

sueddeutsche.de: Und was sagen die Schüler, nachdem sie Obama gesehen haben?

Jacobson: Sie sind begeistert. Das heißt, mache sind auch enttäuscht, weil sie erkennen, dass die Auftritte nicht spontan sind, sondern bis ins letzte Detail durchgeplant. Aber für die meisten ist es ihr erster Wahlkampf, den sie bewusst miterleben und sie reagieren sehr emotional. Ich habe auch viele Schüler, die sich schon als freiwillige Wahlkampfhelfer engagieren. Und das schon jetzt, im Februar. Dabei ist die eigentliche Wahl erst im November. Das ist wirklich außergewöhnlich

sueddeutsche.de: Wie schafft Obama es, seine Anhänger so zu begeistern?

Jacobson: Er ist ein mitreißender Kandidat, der einfach allen Denkmustern und Klischees widerspricht. Schon der Name - sein zweiter Vorname ist ja ausgerechnet Hussein. Dann die Tatsache, dass er kein weißer Mann ist. Er verkörpert eine positive Hoffnung, dass sich die Dinge zum Besseren wenden. Die älteren Leute, mit denen ich spreche, sagen, er erinnert sie an den jungen Kennedy.

sueddeutsche.de: Aber was begeistert Ihre Schüler?

Jacobson: Zwei Dinge. Zum einen liegt es an der Person. Ich höre sehr oft den Satz: "Er ist ein Kandidat, der meine Generation anspricht." Meine Schüler sind aufgewachsen, als Bill Clinton regierte. Deswegen ist Clinton ein Name, mit dem sie die Generation ihrer Eltern verbinden.

sueddeutsche.de: Zumal Obama tatsächlich wesentlich jünger ist.

Jacobson: Na ja, Obama ist 46 Jahre alt - aber er schafft es auch noch, von den Jugendlichen als "jung" wahrgenommen zu werden. Ich bin 43 und ich glaube nicht, dass meine Schüler mich immer als jung sehen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was junge Amerikaner sich von Obama erhoffen.

"Obama steht für Hoffnung"

sueddeutsche.de: Und der zweite Punkt?

Jacobson: Dieses Land erlebt derzeit eine sehr tiefe Spaltung und das registrieren die Schüler auch sehr genau. Sie verbinden mit Obama die Hoffnung auf einen wirklich tiefgreifenden "change".

sueddeutsche.de: "Change", also "Wechsel", das ist Obamas kürzester Wahlkampfslogan.

Jacobson: Ja, er hat es geschafft, dieses eine Wort zum Markenzeichen zu machen. Auf vielen Plakaten oder auf den Schildern, die sich die Menschen hier in den Vorgarten stellen, steht gar nicht der Name, sondern nur dieses Wort "change". Das genügt.

sueddeutsche.de: Und was soll er ändern?

Jacobson: Seit 2000, seit der verkorksten Wahl in Florida, ist nichts passiert, um die tiefe Spaltung dieses Landes zu überbrücken. Das betrifft übrigens auch unser Verhältnis zum Ausland. Meinen Schülern liegt sehr am Herzen, wie Amerika in der Welt gesehen wird. Und sie hoffen, dass Obama da einiges ins Lot bringen kann. Hinzu kommt: Hier herrscht inzwischen allgemein das Gefühl, dass wir in eine Krise schlittern könnten, wenn wir nicht aufpassen. Und Obama schafft es, den Menschen Hoffnung zu geben.

sueddeutsche.de: Hillary Clinton wäre aber doch auch eine Veränderung - als erste Frau im Präsidentenamt.

Jacobson: Ja, und meine Schüler sind oft überrascht, wenn ich ihnen sage, dass es in Großbritannien schon vor 20 Jahren und in Deutschland genau jetzt Frauen an der Spitze der Regierung gibt. Aber Obama verkörpert den "change" einfach viel stärker.

John Jacobson (43) unterrichtet "American Government and Political Theory". Das entspricht ungefähr unserem Fach Sozialkunde und Politische Theorie. Er lehrt an der Highschool von Shorewood, einem überwiegend demokratischen Vorort von Milwaukee, der größten Stadt von Wisconsin.

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