US-Vizepräsident Biden:Der Charmeur aus Washington

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Groß waren die Erwartungen an US-Vizepräsident Joe Biden vor seinem Auftritt bei der Sicherheitskonferenz. Er konnte sie nicht in jeder Hinsicht erfüllen - und ging dennoch als Gewinner aus dem Saal.

Peter Lindner, München

Seine bissigen Kommentare sind berüchtigt, sein unkontrolliertes Mundwerk hat ihm schon viel Ärger eingebracht - als US-Senator. Als amerikanischer Vizepräsident, noch dazu bei seiner ersten Auslandsreise als Barack Obamas Stellvertreter, kann er sich keinen Patzer erlauben.

US-Vizepräsident Joe Biden: "Ich bin im Auftrag einer neuen Regierung hierher gekommen, die entschlossen ist, einen neuen Ton in Amerikas Beziehungen zu den Staaten der Welt anzuschlagen." (Foto: Foto: ap)

Betont staatsmännisch gibt sich Joe Biden, als er bei der Münchner Sicherheitskonferenz ans Rednerpult tritt. Bevor er anhebt zu sprechen, faltet er die Hände und hält für einen kurzen Moment inne - als ob er sich nochmal vergegenwärtigen wolle, dass von ihm hier nichts weniger erwartet wird als erstmals den neuen außenpolitischen Kurs der Regierung Obama zu skizzieren. Und der 66-Jährige weiß genau: Der erste Aufschlag muss sitzen.

"Ich bin im Auftrag einer neuen Regierung hierher gekommen, die entschlossen ist, einen neuen Ton in Amerikas Beziehungen zu den Staaten der Welt anzuschlagen", verkündet Biden. Seine Stimme klingt tief und betont ruhig. Erstaunlich lange hängt sein Blick immer wieder am Manuskript, das vor ihm liegt. Biden weiß, dass es heute auf jedes Wort ankommt, auf jede Formulierung - und eben vor allem auf den richtigen Ton.

Deutliches Bekenntnis zur Kooperation

Diesen traf er bei seinen Zuhörern vor allem, als er demokratische Werte beschwor und betonte: "Amerika wird nicht foltern!" Die US-Regierung werde in Partnerschaften arbeiten, "wann immer wir können - allein nur, wenn wir es müssen". Nach jahrelanger internationaler Kritik an den Alleingängen der Amerikaner ist dieses deutliche Bekenntnis zur Kooperation ein weiteres Signal für einen Neuanfang.

Das gilt auch für Bidens Ankündigung, den Schwerpunkt künftig mehr auf Diplomatie und Entwicklung zu legen - und bei heraufziehenden Konflikten frühzeitig mit politischen Initiativen zu reagieren. So soll verhindert werden, dass am Ende nur die Wahl bleibe zwischen dem Risiko eines Krieges und der Gefahr der Untätigkeit.

"Ich meine das ganz ehrlich: Wir brauchen ihren Rat", betonte Biden. Und was eigentlich unter Partnern eine Selbstverständlichkeit ist, klingt nach dem Ende der Ära Bush seltsam verheißungsvoll: Amerika wolle wieder zuhören.

Aufmerksam hörte auch Angela Merkel zu. Allerdings dürfte die Kanzlerin nicht von allem begeistert gewesen sein, was Biden zu sagen hatte. Denn der Vizepräsident machte in München unmissverständlich klar, dass die USA auch von ihren Partnern mehr Unterstützung erwarten. "Die gute Nachricht ist: Amerika wird mehr tun. Die schlechte Nachricht ist: Amerika wird auch von seinen Partnern mehr verlangen."

Hier wurde Biden auch konkret: Erstmals forderte mit dem Vizepräsidenten in München die US-Führung offiziell andere Staaten zur Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen auf. Ohne ein bestimmtes Land zu nennen, bat er um Hilfe - und darum, "Verantwortung für einige der Insassen zu übernehmen".

Auf der nächsten Seite: Was der amerikanische Vizepräsident zum Thema Iran zu sagen hat - und wie er Kanzlerin Merkel möglicherweise in Bedrängnis bringt.

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Aber auch bezüglich des Engagements in Afghanistan dürften auf europäische Staaten mehr Forderungen zukommen - das ließ Obamas Sicherheitsberater James Jones bereits am Freitag im Interview mit der Süddeutschen Zeitung durchblicken, als er mehr zivile Unterstützung für Afghanistan verlangte. Gerade im Superwahljahr 2009 könnten solche Begehrlichkeiten die Bundeskanzlerin in Bedrängnis bringen - und Popularität kosten.

Abgesehen von der Bitte an andere Staaten, Guantanamo-Gefangene aufzunehmen, hielt sich Biden jedoch mit konkreten Wünschen auffällig zurück. Stattdessen beschwor er die gemeinsamen Werte, die gemeinsamen Interessen und die gemeinsamen Herausforderungen - wie die zu stoppende Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, die Erneuerung der Nato oder den Atomstreit mit Iran.

Er bezeugte dem iranischen Volk und der persischen Kultur ausdrücklich seinen Respekt und appellierte gleichzeitig an die politische Führung in Teheran, von der Entwicklung nuklearer Waffen Abstand zu nehmen. Die USA seien bereit für Gespräche - und bereit, für einen Ausstieg aus dem Atomprogramm Anreize zu geben.

Im Konflikt um das geplante Raketenabwehrsystem in Osteuropa ging Biden auf die Partner und auf Russland zu. Die USA wollten das System zwar weiterentwickeln, jedoch nur, wenn es technisch sinnvoll, machbar und kosteneffizient sei. Er kündigte an, dass die Amerikaner sich auch in dieser Frage eng mit den Verbündeten abstimmen - und das Verhältnis zu Moskau in sämtlichen Fragen auf eine neue Basis stellen wollen: "Wir müssen den Knopf für den Neustart drücken."

Wer von Biden den großen Wurf oder eine Art Masterplan für die neue amerikanische Außenpolitik erwartet hatte, erhielt auf der Münchner Sicherheitskonferenz keine überzeugenden Antworten. Doch darauf kam es Biden auch nicht an. Er wollte zuhören, wie er schon vor seiner Rede betont hatte, und wohl auch ein Signal des Aufbruchs setzen, einen Neuanfang einläuten - mit bedacht gewählten Worten.

Und das ist ihm gelungen.

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