US-Supreme Court:Auf Nummer neun kommt es an

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Trump kann die Zusammensetzung des Supreme Courts mitbestimmen - und damit den Kurs des obersten Bundesgerichts. Obamas Kandidaten zu wählen hatten sich die Republikaner geweigert.

Von Jan Bielicki, München

Die Wahl beschäftigte die höchsten Richter des Landes schon, bevor die Stimmen überhaupt ausgezählt waren. Am Montag wies der Supreme Court ein Ansinnen der Demokraten des Bundesstaates Ohio ab, Anhängern des Republikaners Donald Trump höchstgerichtlich zu verbieten, noch am Wahltag vor den Wahllokalen um Stimmen zu werben. Die Demokraten fürchteten eine Einschüchterung der Wähler, doch ein Einschreiten würden schon Ohios Gesetze verbieten, lehnten die obersten Bundesrichter einmütig ab.

Tatsächlich war das höchstrichterliche Votum wohl kaum entscheidend dafür, dass Trump den hart umkämpften Staat Ohio und die Präsidentenwahl gewann. Umgekehrt aber hat Trumps Wahlsieg eine entscheidende Bedeutung für die künftige Zusammensetzung und den Kurs des obersten Bundesgerichts - und damit für die Verfassungswirklichkeit der USA womöglich weit über die Dauer von Trumps Präsidentschaft hinaus. Schließlich hat der Präsident das Recht, den Juristen zu benennen, den er im Obersten Gerichtshof sehen will - dem einzigen Organ der Bundesjustiz, dem die US-Verfassung einen Artikel widmet. Ernannt wird jeder der neun obersten Richter auf Lebenszeit, zwar erst nach Befragung und Zustimmung durch den Senat, doch dort haben die Republikaner ihre Mehrheit ja verteidigt.

Einen von Obama nominierten Kandidaten wollen die Senatoren der Republikaner nicht wählen

Trump wird gleich nach seinem Einzug ins Weiße Haus die Möglichkeit haben, dem Senat einen eigenen Richterkandidaten vorzustellen. Denn derzeit sind die höchsten Richter nur zu acht in ihrem neoklassizistischen Justiztempel einen Block östlich des Washingtoner Kapitols. Seit im Februar der Richter Antonin Scalia starb, ist einer der hochlehnigen Stühle im säulenumkränzten Gerichtssaal vakant - Resultat republikanischer Totalopposition gegen Präsident Barack Obama.

Denn nach dem Tod des stockkonservativen Scalia war es eigentlich an Obama, einen eigenen Mann auf diesen Stuhl zu setzen und so die Verhältnisse im Gericht zugunsten einer liberaleren Rechtsauffassung zu drehen. Dort herrscht ein politisches Patt: Neben vier von den Republikanern Ronald Reagan, George Bush senior und George W. Bush installierten Richtern gehören ihm vier von den Demokraten Bill Clinton und Obama nominierte Richter an - unter ihnen alle drei Frauen des Gremiums. Umso bedeutsamer ist, wer der oder die Neunte in der Runde wird.

Aus diesem Grund entschlossen sich die Republikaner zu einem Manöver, das mit allen Traditionen der Richterernennung brach: Mit ihrer Mehrheit im Senat verweigerten sie Obamas Kandidat einfach die Anhörung. Merrick Garland gilt zwar als auch bei moderaten Republikanern hoch angesehener Mann der Mitte. Doch einem von Obama nominierten Kandidaten würden sie im letzen Amtsjahr des Präsidenten auf keinen Fall zustimmen, ließen die republikanischen Senatoren per offenem Brief wissen.

Dass die Republikaner sogar den Bruch von Verfassungstraditionen in Kauf nehmen, liegt auch daran, dass sie sich zuletzt nicht mehr darauf verlassen konnten, dass alle der ihnen zugerechneten Richter dem zunehmend radikalen Kurs der Partei folgen. Der als moderater Konservativer geltende Gerichtspräsident John Roberts ließ Obamas Gesundheitsreform als verfassungsgemäß passieren, sein konservativer Kollege Anthony Kennedy sorgte für die Mehrheit, die den Bundesstaaten die Anerkennung von Homo-Ehen befahl.

So etwas wollen Trump und seine ultrakonservativen Alliierten künftig offenbar verhindern. Bereits im Wahlkampf hatte Trump eine Liste mit neun möglichen Anwärtern und nur einer Anwärterin für das Richteramt vorgelegt. Nicht alle von ihnen gelten als Freunde des künftigen Präsidenten, aber die meisten von ihnen haben sich mit rechtskonservativen Äußerungen hervorgetan, etwa gegen Abtreibung, Schwulen- und Lesbenrechte oder Einschränkungen im Waffenrecht. Und womöglich wird in Trumps Amtszeit nicht nur einer von ihnen zum Zuge kommen. Drei der aktuellen Richter - einer konservativ, zwei liberal - sind schon mehr als 80 Jahre alt oder gehen auf die 80 zu.

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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