US-Regierung:Irak-Politik entzweit Bush und Rumsfeld

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Der Verteidigungsminister muss die Verantwortung für den Wiederaufbau des Irak an die Sicherheistberaterin des Präsidenten, Condoleezza Rice, abtreten. Von seinem Machtverlust erfuhr er allerdings zuerst aus der Zeitung.

(SZ vom 10.10.2003) - Sechs Monate nach der Eroberung Bagdads deutet sich ein ernstes Zerwürfnis zwischen US-Präsident George Bush und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld an.

Das Weiße Haus und das Pentagon bemühten sich zwar, diesen Eindruck zu zerstreuen, doch die amerikanische Presse berichtete von heftigen Spannungen. Rumsfeld hatte sich beklagt, erst aus den Medien von einem Kompetenzverlust erfahren zu haben.

Künftig liegt die Federführung für den Nachkriegs-Irak bei Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice.

Rumsfeld bestritt zwar am Rande einer Tagung der Nato-Verteidigungsminister in Colorado Springs, dass die neue Machtverteilung in der Irak-Politik hinter seinem Rücken vorgenommen worden sei und seine Autorität untergrabe.

Er fühle sich auch nicht von Rice verletzt, erklärte Rumsfeld. Die New York Times berichtete jedoch unter Berufung auf mehrere anonyme Quellen über wachsende Spannungen zwischen dem Weißen Haus und dem Pentagon wegen der Probleme im Irak.

Vor allem werde dem Verteidigungsministerium die mangelnde Fähigkeit angelastet, reibungslos mit anderen Ministerien wie dem State Department oder dem Schatzamt zusammenzuarbeiten, die beim Wiederaufbau im Irak immer wichtiger würden.

Streit über Geberkonferenz

"Es geht um mehr als nur darum, wie wir mit dem Irak umgehen", zitierte das Blatt einen ungenannten Regierungsmitarbeiter, der oft mit Rumsfeld zu tun hat. "Es geht darum, dass die Rumsfeld-Leute die Realität vor Ort verstehen, und was dort nicht funktioniert."

Ein amerikanischer Diplomat sagte der New York Times: "Rumsfeld gefällt das gar nicht, weil er nicht zugeben will, dass etwas schief gegangen ist. Aber das ist nichts Neues. So ist Rumsfeld." Nach einem Bericht der Zeitung kam es am vergangenen Montag zu einem scharfen Meinungsaustausch zwischen Rumsfeld und Rice, nachdem Berichte über die von der Sicherheitsberaterin geführte neue Stabilisierungsgruppe für den Irak in der Presse erschienen waren.

Innenpolitisch unter starken Druck geraten

Die US-Regierung ist wegen der andauernden Anschläge im Irak und den hohen Kosten des Krieges innenpolitisch unter starken Druck geraten. Sechs Monate nach der Besetzung von Bagdad durch amerikanische Truppen erreichte die Eskalation der Gewalt am Donnerstag einen neuen Höhepunkt: Bei einem Selbstmordanschlag kamen mindestens zehn Menschen ums Leben. Etwa zur gleichen Zeit erschossen bewaffnete Männer den spanischen Militärattaché.

Zwei Personen in einem mit Sprengstoff beladenen Auto drangen in Sadr-City, einer schiitischen Vorstadt von Bagdad, auf das Gelände einer Polizeiwache vor. Sicherheitskräfte eröffneten das Feuer auf das Fahrzeug, das kurz darauf explodierte. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich im Hof der Wache etwa 50 Polizisten versammelt, um ihren Sold abzuholen. Ein verletzter Polizist sagte, dem Anschlag seien Drohungen eines schiitischen Geistlichen vorausgegangen.

Der spanische Militärattaché Jose Antonio Bernal Gomez erlag am Donnerstagmorgen einem Mordattentat. Ein als schiitischer Geistlicher verkleideter Mann habe an der Haustür des Diplomaten geklopft, berichtete ein spanischer Diplomat in der irakischen Hauptstadt. Bernal Gomez habe sofort Verdacht geschöpft und sei auf die Straße gelaufen. Dort wurde er von mehreren Männern erschossen, die in einem Auto warteten.

Deutschland und Russland wollen führende Rolle der UN

Deutschland und Russland bekräftigten unterdessen in Jekaterinburg ihre Forderung nach einer führenden Rolle der Vereinten Nationen im Irak. Zugleich äußerten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Russlands Präsident Wladimir Putin Bedenken über die Irak-Geberkonferenz am 23./24.Oktober in Madrid.

Putin machte deutlich, dass eine solche Konferenz erst nach Annahme einer neuen Irak-Resolution im UN-Sicherheitsrat Sinn habe und erhöhte damit indirekt den Druck auf die USA, sich im Streit über eine Resolution kompromissbereit zu zeigen. Dagegen erklärte die EU-Kommission in Brüssel, eine Geberkonferenz sei auch dann sinnvoll, wenn es noch keine Verständigung über eine neue Irak-Resolution gebe.

Die USA drängen die internationale Gemeinschaft zu Hilfszusagen, wehren sich zugleich jedoch gegen eine starke Rolle der Vereinten Nationen im Irak. Dieser Streit steht derzeit auch einer Einigung auf eine Irak-Resolution im UN-Sicherheitsrat im Wege.

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