US-Präsident Bush:Mordanklage problematisch

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Gehört George W. Bush vor Gericht? Ein ehemaliger US-Staatsanwalt plädiert dafür. So einfach ist das nicht.

Kai Ambos

George W. Bush hat noch nicht einmal das Weiße Haus verlassen und schon schwingen seine Gegner das scharfe Schwert des Strafrechts, um mit seiner Präsidentschaft abzurechnen.

Ein Herz für die Truppen: Der Irak-Einsatz amerikanischer Soldaten könnte George W. Bush jedoch zum Verhängnis werden. (Foto: Foto: Reuters)

Hierzulande ist vor allem das Buch des pensionierten US-Staatsanwalts Vincent Bugliosi "Anklage wegen Mordes gegen George W. Bush" bekannt geworden.

Für Bugliosi, der einst die Anklage gegen den Bandenchef Charles Manson vertat, hat Bush unter Irreführung des US-Kongresses und der Bevölkerung den Einmarsch in den Irak befohlen und damit den Tod Tausender US-Soldaten in strafrechtlich relevanter Weise veranlasst.

Juristisch ist daran nur die Prämisse richtig: nämlich dass in den USA nach einem schon 1882 vom Obersten Gerichtshof fixierten Grundsatz "niemand über dem Gesetz steht" und deshalb eben auch ein Präsident verfolgt werden kann, wenn er erst einmal sein Amt aufgegeben hat.

Nachgerade abenteuerlich ist aber die Konstruktion, mit der Bugliosi den Präsidenten zur Verantwortung ziehen will: Ein Politiker, der seine Soldaten in einen Krieg schickt, mag politisch und moralisch für ihren Tod verantwortlich sein - strafrechtlich ist er es grundsätzlich nicht. Ein bloß naturalistischer Zusammenhang zwischen einer Handlung (dem Marschbefehl des Präsidenten) und einem Ergebnis (dem Tod der in Marsch gesetzten Soldaten) reicht für eine strafrechtliche Zurechnung nicht aus.

Diese Zurechnung kann schon dadurch abwegig sein, dass der Militäreinsatz vom innerstaatlichen und vom internationalen Recht gedeckt, juristisch also erlaubt war. Daran kann man zwar beim Irak-Krieg mit guten Gründen Zweifel haben. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sich die Soldaten einer Berufsarmee freiwillig der Gefahr eines Militäreinsatzes aussetzen und dass die dort auftretenden Gefahren für Leib und Leben eben nicht von ihrem Oberbefehlshaber, sondern vom Gegner ausgehen - und damit auch diesem zuzurechnen sind.

Das gilt besonders, wenn sich dieser, wie al Qaida oder die Taliban, nicht an das humanitäre Völkerrecht gebunden fühlt, sondern jedes noch so hinterhältige Mittel gebraucht, um den Feind zu vernichten. Einfacher gesagt: Man kann Bush nicht für den Tod eigener Soldaten verantwortlich machen, wenn dieser durch den militärischen Gegner verursacht wird.

Auch sonst sähe sich eine Strafverfolgung Bushs mit schwierigen Problemen konfrontiert. Ein internationales Tribunal ist für Taten, die ihm eventuell vorzuwerfen wären, nicht zuständig.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ist für völkerrechtliche Kernverbrechen wie Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen von Staatsangehörigen der USA nur dann zuständig, wenn solche Verbrechen sich auf dem Hoheitsgebiet eines Staates ereignet haben, der zur Zeit der Taten Vertragspartei des Gerichtshofs gewesen ist.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, in welchen Staaten Bush für die besagten Verbrechen zu Rechenschaft gezogen werden könnte.

Geht man die Staaten durch, in denen die USA während der Bush-Präsidentschaft Militär eingesetzt und dabei die besagten Verbrechen begangen haben könnten, so käme allein für ein Land eine Zuständigkeit in Betracht: Afghanistan. Dort ist das Statut des Gerichtshofs am 1. Mai 2003 in Kraft getreten. Allerdings: Zwischen den USA und Afghanistan existiert ein Abkommen, wonach beide Länder ihre Staatsbürger dem Gerichtshof nur mit Zustimmung des anderen überstellen. Einer Überstellung ihrer Soldaten werden die USA aber wohl nie zustimmen. Damit wird es dem Gerichtshof auch nicht möglich sein, sie abzuurteilen - und also wird man ihre Taten letztlich auch Bush als mittelbar Verantwortlichem nicht zurechnen können.

Der Jura-Professor Kai Ambos leitet die Abteilung Internationales Strafrecht an der Universität Göttingen. (Foto: Foto: oh)

Somit kommt eine Strafverfolgung Bushs außerhalb der USA nur durch dritte Staaten in Betracht. Diese müssten, wie zum Beispiel Deutschland im Völkerstrafgesetzbuch von 2002, das "Weltrechtsprinzip" anerkannt haben. Damit haben sie sich für zuständig erklärt, völkerrechtliche Kernverbrechen zu verfolgen - egal, wo sie begangen wurden. Die Ausübung einer solchen Zuständigkeit kann aber mit einem anderen völkerrechtlichen Grundsatz in Konflikt geraten, und zwar dem der Immunität. Zwar endet die persönliche Immunität eines Staatsoberhaupts mit dem Ausscheiden aus dem Amt. Doch die so genannte Staatenimmunität gilt für seine früheren Amtshandlungen fort.

Denn die sind alle seinem Staat zuzurechnen. Daher würde ein Drittstaat hier über den Staat zu Gericht sitzen, auf dessen Gebiet oder durch dessen Staatsangehörige die Taten begangen wurden. Deutschland - zum Beispiel - kann also nicht durch seine Gerichte amtliche Handlungen eines ehemaligen US-Präsidenten verfolgen lassen, denn damit würde es letztlich über die USA zu Gericht sitzen. Allerdings wird heute - im Lichte der Anerkennung des auch strafrechtlichen Schutzes der Menschenrechte - zunehmend die Ansicht vertreten, dass es bei völkerrechtlichen Kernverbrechen eine Ausnahme von der Staatenimmunität geben müsse.

Ließe sich unter diesem Gesichtspunkt das Hindernis der Immunität überwinden, so stellte sich aber schon die nächste Frage: Für welche Taten kann Bush eigentlich verfolgt werden? Ihm können nur Taten der eigenen Streitkräfte zugerechnet werden, soweit diese völkerrechtliche Verbrechen darstellen. In Frage kämen die Misshandlungen in Guantanamo und Abu Ghraib sowie US-Angriffe auf Zivilisten und zivile Ziele im Irak, Afghanistan und anderswo. Diese könnten als Kriegsverbrechen qualifiziert werden, wenn die Täter mit Absicht oder in Kenntnis der Folgen handelten und wenn solche Taten weder gerechtfertigt noch entschuldigt wären.

Wenn ein Auto mit Zivilisten auf eine Absperrung zurast, trotz mehrfacher Aufforderung nicht abbremst, Soldaten dann das Feuer eröffnen und die Insassen töten, so könnte dies durch Notwehr gerechtfertigt oder zumindest aufgrund ihrer irrtümlichen Annahme entschuldigt sein. Kann aber beides ausgeschlossen werden, liegt ein Kriegsverbrechen vor. Und dieses könnte nicht nur den Soldaten, sondern auch ihren Vorgesetzten bis zum Staatsoberhaupt zuzurechnen sein.

Ein Vorgesetzter kann vor allem nach der seit 1945 anerkannten Doktrin der "Vorgesetzten-Verantwortlichkeit" für das Nicht-Einschreiten gegen die Verbrechen seiner Untergebenen haften, wenn er davon Kenntnis hatte oder Kenntnis gehabt haben könnte. Wer es also für sinnvoll hält, Bush strafrechtlich zu verfolgen, sollte dies für die Verbrechen tun, die seine eigenen Soldaten begangen haben. Aber vielleicht reicht es ja auch aus, wie von einigen Demokraten angekündigt, parlamentarische Untersuchungsausschüsse einzusetzen, um die Skandale der Bush-Regierung aufzuklären.

© SZ vom 01.12.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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