US-Kongresswahl:Ärger mit den Wahlmaschinen

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Wegen Problemen mit den elektronischen Wahlmaschinen sind die Öffnungszeiten der Wahllokale in mehreren US-Bundestaaten verlängert worden. Wissenschaftler halten die elektronischen Helfer ohnehin nicht für fälschungssicher.

Ein Gericht im Bezirk Lebanon im östlichen Bundesstaat Pennnsylviana ordnete an, die 55 Wahlbüros in der Region eine Stunde länger - bis 21 Uhr Ortszeit (3 Uhr MEZ) - offen zu lassen.

Wegen eines Programmierfehlers bei den Wahlmaschinen waren zuvor einige Wähler gezwungen gewesen, auf Stimmzettel aus Papier zurückzugreifen. Im Bezirk Delaware im Bundessstaagt Indiana wurden die Öffnungszeiten in 75 Wahlbüros ebenfalls verlängert.

Software-Probleme

Auch in zahlreichen anderen US-Staaten wurden Probleme bei der Stimmabgabe gemeldet. Den meisten Ärger bereiteten neue Wahlmaschinen mit Touchscreens und ihre Software. In vielen Wahllokalen müssten die Bürger lange anstehen und dann dennoch ihre Stimmen auf Papier abgeben.

Im hart umkämpften Staat Virginia schaltete sich sogar die Bundespolizei FBI ein, nachdem es Versuche gegeben haben soll, Wähler vor der Stimmabgabe einzuschüchtern, wie die staatliche Wahlkommission erklärte. Es gebe Meldungen über Telefonanrufe, mit denen Wähler von der Stimmabgabe ferngehalten oder zu falschen Wahllokal geleitet werden sollten. In Virginia lieferten sich der republikanische Senator George Allen und sein demokratischer Herausforderer Jim Webb ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

In einem mehrheitlich von Schwarzen bewohnten Viertel in East Cleveland im Bundesstaat Ohio funktionierte zunächst keines der elf Geräte in einer als Wahllokal genutzten Grundschule.

Erst nach zwei Stunden war die Panne behoben. Bis ein Rechtsanwalt der Beobachtergruppe Election Protection (Wahlschutz) auftauchte, weigerten sich die Wahlhelfer, den Bürgern Papier-Stimmzettel auszuhändigen. "Weil die Maschinen streikten, haben sie die Wähler weggeschickt, obwohl sie dazu kein Recht hatten", kritisierte der Anwalt Fred Livingstone.

Vorfälle in mehreren Staaten

Insgesamt wurden in Ohio kurz nach Öffnung der Wahllokale mehr als 250 Probleme mit den Wahlmaschinen gemeldet. Zwischen 51 und 250 Vorfälle gab es laut Election Protection in New York, Kalifornien, Texas, Florida, Arizona, Michigan, Georgia und anderen Bundesstaaten. Bereits im Vorfeld war Kritik an der Technik laut geworden.

AccuVote TS heißt das Gerät. Das klingt nüchtern und präzise, eben akkurat. Dieses Gefühl wollte die US-Firma Diebold Election System schüren, als sie ihr Produkt taufte.

Millionen Amerikaner machen bei der Wahl Bekanntschaft mit einem Kleincomputer des Unternehmens mit Sitz in North Canton im US-Bundesstaat Ohio: Die elektronische Stimmabgabe, per Fingerdruck auf dem Farbbildschirm, ist Trend in den Vereinigten Staaten.

Doch AccuVote ist schon vor der Wahl in Verruf geraten. Ein Team von Wissenschaftlern der Universität Princeton führte entsetzten Kongressabgeordneten bereits im September vor, wie leicht sich Wahlergebnisse mit Hightech-Hilfe verfälschen lassen.

Diebolds Verkaufsschlager sei "empfänglich für Computerviren, die sich von Maschine zu Maschine ausbreiten und still und leise Stimmen von einem Kandidaten zum anderen transferieren", warnte der Experte Edward Felten.

Dazu genüge der Kauf einer Speicherkarte, wie sie im Internet für 155 Dollar plus Mehrwertsteuer angeboten wird. "Einmal in den Computer eingesetzt, erledigte unser bösartiges Programm den Rest von selbst", sagte Felten.

Computer bestätigen sich selbst

Lediglich 27 von 50 Bundesstaaten verlangen, nach jeder Stimmabgabe ein Stück Papier zur Überprüfung durch den Wähler und zur eventuellen Nachzählung auszudrucken.

Wo diese Quittung fehlt, könnten die Computer im Falle von Anfechtungen einer Partei sich einfach selbst bestätigen - denn etwas anderes als die vom Virus manipulierten Daten vermag der PC auch dann nicht auszuspucken.

Diebold versichert zwar, AccuVote habe sich in zahllosen Tests bewährt. Der Computer sei verriegelt, Betrüger bräuchten eine Kopie des Schlüssels oder müssten minutenlang mit Schraubenziehern hantieren, ehe sie die Chipkarte auswechseln könnten. Aber auch diesen Trick bekamen die findigen Experten der Universität Princeton erschreckend schnell raus.

Die Sorge, von einer infizierten Wahlurne betrogen zu werden, hat inzwischen viele US-Bürger beschlichen. Denn jeder Vierte von ihnen, bis zu 66 Millionen, muss sein Votum einem Computer anvertrauen. Rechnet man die Wahllokale hinzu, wo Scanner per Hand ausgefüllte Stimmzettel auswerten, wird der Souverän sogar zu 90 Prozent der elektronischen Verarbeitung unterworfen.

3,8 Milliarden Dollar für Wahlmaschinen

Angetrieben wurde die technologische Revolution von guter Absicht. Eine Pleite wie bei den Präsidentschaftswahlen im Herbst 2000, da in Florida Tausende Lochkarten wieder und wieder ausgezählt wurden und am Ende George W. Bush einen umstrittenen Sieg bescherten, wollte das Land nicht wieder erleben.

Also verabschiedete der US-Kongress 2002 den "Help America Vote Act" - ein Gesetz, das unter anderem 3,8 Milliarden Dollar bereitstellte, um die Wahlmaschinen im Land zu modernisieren. Zudem wurden die Wählerkontrollen verschärft. Da die USA keinen einheitlichen Personalausweis kennen, verlangt fast jeder Bundesstaat einen anderen Identitätsnachweis.

Meist genügt der Führerschein. Vor allem die Demokraten fürchten, dies könne arme Wähler und Minderheiten von der Urne fernhalten. Eine Heerschar von etwa 10.000 Anwälten beobachtet die Abstimmung. In Wahlkreisen mit knappen Ergebnissen droht ein Dacapo von Florida: ein langes Nachspiel vor Gericht.

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