US-Gefängnisse:Gute Folter?

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US-Ärzte haben Menschen in CIA-Gefängnissen fit für Qualen und Torturen gemacht - und sich selbst zu Folterknechten.

Heribert Prantl

Sigmund Rascher war ein deutscher KZ-Arzt. Im Konzentrationslager Dachau hat er mit Menschen experimentiert - so lange, bis diese Menschen krepierten. Er simulierte die Reaktion des menschlichen Körpers ohne Sauerstoff in Flughöhe.

Erst in CIA-Geheimgefängnissen gefoltert, dann nach Guantanamo verbracht: Gefangene im US-Lager auf Kuba. (Foto: Archiv-Foto: dpa)

Er setzte die Versuchspersonen bei seinen Unterdruckversuchen ins Vakuum und ließ sie nicht entkommen, bis ihre Lungen platzten. Die Versuchspersonen wurden - im Dienste des "Staatswohls", sagte man - wahnsinnig, sie rissen sich die Haare aus und hämmerten mit Fäusten und Kopf gegen die Wand bis zur Bewusstlosigkeit. Dr. Rascher hat diese tödlichen Experimente penibel protokolliert. Er ist der Prototyp des Medizinverbrechers.

Die US-Mediziner und die US-Psychologen, die den Folterern der CIA assistiert haben, sind nicht die medizinischen Enkel des Dr. Rascher. Sie haben sich ja immerhin bemüht, den Exitus der Befragten tunlichst zu vermeiden; sie haben die Opfer der CIA fit für die Folter gemacht und fit für die Folter gehalten, sie haben die Gefolterten mit medizinischer Kunst am Leben erhalten und dafür gesorgt, dass sie noch mehr Wasser schlucken und noch länger würgen konnten.

Soll man ihnen das zugutehalten? Darf sich ein grausamer Körperverletzer damit entschuldigen und salvieren, dass er immerhin nicht gemordet hat? Die medizinischen Folterassistenten sind Agenten einer Medizin ohne Menschlichkeit: Sie haben sich zu Folterknechten gemacht, haben ihre Kunst in den Dienst der Tortur gestellt und so die gefährliche Illusion genährt, dass es gute Folter gibt, nämlich eine solche, bei der das Opfer nicht stirbt, sondern nur leidet. Auch dabei handelt es sich um Menschenversuche, um Versuche, die ausloten, was ein Mensch gerade noch aushalten kann - um gewissenhafte Gewissenlosigkeit.

Aber wenn denn schon gefoltert wird (und der Mediziner kann das nicht unbedingt verhindern), ist es dann nicht besser, die Folterung ärztlich zu begleiten? Soll der Mediziner nicht das Schlimme akzeptieren, wenn er immerhin das Schlimmste verhindern kann? Schon die Frage zeigt, auf was man sich einlässt, wenn man Folter zulässt. Man müsste dann auch noch, für den Fall des Falles, der Folterei einen christlichen oder muslimischen Geistlichen beigesellen.

Paul Teitgen, Widerstandsheld in Frankreich, Opfer von Folter im KZ Dachau, stand als Polizeichef im Algerienkrieg vor der Situation, Folter anzuordnen, um nach einer Bombenexplosion das Versteck einer zweiten Bombe zu erfahren. Er lehnte ab: "Wenn man sich einmal auf Folter einlässt, dann ist man verloren". Der Bericht des Roten Kreuzes über die CIA-Gefängnisse illustriert das auf beklemmende Weise. Es handelt sich um den perversen Versuch einer Humanisierung der Inhumanität.

In den CIA-Gefängnissen zeigte sich: Nicht nur Menschen, auch die Grundsätze des Rechts und der ärztlichen Ethik sind von den Trümmern der Twin Towers erschlagen worden.

© SZ vom 8.4.2009/plin - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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