Urteil:Saubere Scheiben

Lesezeit: 1 min

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erlaubt deutschen Finanzbehörden, Steuer-CDs auszuwerten. Dies verletze nicht den Schutz der Persönlichkeitsrechte. Denn die silbernen Scheiben haben die Zahl der Selbstanzeigen in die Höhe schnellen lassen.

Von Hans Leyendecker, München

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erlaubt die Nutzung von Steuer-CDs durch deutsche Finanzbehörden. Die Straßburger Richter haben am Donnerstag entschieden, dass die Verwendung solcher Daten in einem Fall aus dem Jahr 2008 nicht gegen das Recht auf Schutz der Privatsphäre verstoßen habe. Geklagt hatte ein deutsches Ehepaar, auf dessen Spur die Staatsanwaltschaft Bochum vor fast einem Jahrzehnt durch eine Steuer-CD mit Daten der LGT-Treuhand in Liechtenstein gestoßen war. Das Paar hatte Kapitalerträge aus Vermögensanlagen in Höhe von zwei Millionen Euro nicht erklärt und Steuern verkürzt.

Aus Mangel an Beweisen wurde das Ehepaar in einem Prozess vor einem Landgericht freigesprochen. Seine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht blieb jedoch erfolglos. Der Zweite Senat in Karlsruhe nahm 2010 die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil sie teilweise unzulässig sei und im Übrigen keine Aussicht auf Erfolg habe. Karlsruhe hatte dadurch quasi die Nutzung von Steuer-CDs erlaubt.

Vier Jahre später wies der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof in Koblenz die Verfassungsbeschwerde eines Kunden der Credit Suisse ab, dessen Wohnung durchsucht worden war. Der Gerichtshof betonte allerdings, es dürfe "auch im Strafverfahren keine Wahrheitsermittlung um jeden Preis geben".

Karlsruhe, Koblenz und jetzt auch Straßburg: Trotz der immer wieder geäußerten Kritik an der Verwendung der zumeist illegal beschafften Daten stellen sich die Gerichte dem Ankauf der CDs nicht entgegen. Die silbernen Scheiben, die im vergangenen Jahrzehnt vor allem von den Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen gekauft und ausgewertet wurden, haben die Steuerfestungen in der Schweiz, in Liechtenstein und in Luxemburg geschleift und in Deutschland die Zahl der Selbstanzeigen in die Höhe schnellen lassen. Seit 2010 haben sich 120 000 Steuerbetrüger selbst angezeigt. Vermutlich auch aus Angst vor einer CD. Deutschlandweit werden die Mehreinnahmen der Finanzbehörden auf etwa sechs Milliarden Euro geschätzt. Immer noch werden weitere Steuer-CDs angeboten, aber sie sind für den Fiskus nicht mehr so werthaltig wie früher, weil etliche der auf den CDs aufgeführten Bankkunden inzwischen Selbstanzeige erstattet haben.

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: