Ursula von der Leyen:Einzelkämpferin

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Die Verteidigungsministerin ist auf Truppenbesuch in der Türkei - ohne Begleitung aus dem Bundestag. Umso höher waren die Erwartungen, dass sie nach dem Streit um die Armenien-Resolution für die Rechte der Abgeordneten kämpfen würde.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Eigentlich wollte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) den Türken erklären, was es bedeutet, eine Parlamentsarmee zu haben. Und dass es ja nicht nur ihr Recht ist, die auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik stationierten deutschen Soldaten zu besuchen, sondern auch das der Abgeordneten des Bundestages. Die türkischen Behörden hatten zuvor Verteidigungsstaatssekretär Ralf Brauksiepe (CDU) und Parlamentariern die Einreise verweigert. "Nicht angemessen", sagte Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu zur Begründung. Das war vor einer Woche.

Wie schnell sich doch die Lage ändern kann, und die Rolle von Ministerin von der Leyen: Vor einer Woche dominierte der Streit um die Armenien-Resolution des Bundestags das deutsch-türkische Verhältnis. Die Abgeordneten hatten die Verbrechen an den Armeniern aus den Jahren 1915 und 1916 auf dem Gebiet der heutigen Türkei als Völkermord eingestuft. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan regierte heftig, schmähte die deutsch-türkischen Abgeordneten und stellte sie sogar unter Terror-Verdacht. Die Absage für den Incirlik-Besuch von Brauksiepe fügte sich in eine ganze Reihe unfreundlicher Retourkutschen.

Von der Leyen lud sich via Bild am Sonntag selbst ein: "Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Leitung des Verteidigungsministeriums deutsche Soldatinnen und Soldaten im Einsatz besucht." Der türkische Premier Binali Yıldırım ließ den Streit nicht weiter eskalieren, es werde keinerlei Probleme geben, versicherte er. Am Dienstag nun hat der Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat, an dem sich die Deutschen mit ihren Tornados von Incirlik aus beteiligen, neue Bedeutung bekommen: Am Istanbuler Flughafen Atatürk richteten drei mutmaßliche IS-Selbstmordattentäter ein Blutbad mit fast 50 Toten an. Von der Leyen ist am Freitag die ranghöchste deutsche Politikerin, die seit dem Anschlag das Land besucht.

Tornados der Bundeswehr starten in Incirlik zu Aufklärungsflügen über Syrien und dem Irak. (Foto: Falk Bärwald/dpa)

"Die Soldatinnen und Soldaten haben mir in den Gesprächen in Incirlik versichert, dass sie sich auf der Airbase sehr wohl fühlen", sagte von der Leyen. "Die Zusammenarbeit mit den internationalen Partnern im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat, aber auch den türkischen Gastgebern ist sehr eng und vertrauensvoll." Auf dem Stützpunkt sind etwa 250 deutsche Soldaten stationiert. Die Bundeswehr startet von dort aus zu Aufklärungsflügen über Syrien und dem Irak.

Von der Leyen hatte schon am Mittwoch mit ihrem türkischen Kollegen Fikri Işık gesprochen und ihm nach dem Anschlag kondoliert. Am Freitag reiste sie ohne Parlamentarier nach Incirlik und verzichtete auch auf einen Pressetross. Umso höher waren die Erwartungen in Deutschland, dass sie für die Rechte der Abgeordneten kämpfen würde. Nach dem neuerlichen Gespräch mit Işık erklärte von der Leyen, sie habe "auch dargelegt, dass es ein starkes Signal des Deutschen Bundestages war, deutsche Soldaten nach Incirlik zu senden" und "dass es wichtig ist, dass die zuständigen Abgeordneten Zugang zur Truppe - auch wieder in der Türkei haben".

© SZ vom 02.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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