Unruhen in Frankreich:Vorort-Bürgermeister verhängt Ausgangssperre

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Wegen der andauernden Unruhen hat der Bürgermeister des Pariser Vorortes Raincy eine Ausgangssperre für seine Stadt verhängt. Die Regierung will bei ihrer harten Linie bleiben.

Das Verbot, das in dem Département Seine-Saint-Denis im Nordosten der französischen Hauptstadt ausgesprochen wurde, gelte von Montagabend an "ausnahmsweise", kündigte Bürgermeister Eric Raoult von der bürgerlichen Regierungspartei UMP an.

Abtransport zerstörter Autos in Grigny, einem südlichen Vorort von Paris. (Foto: Foto: AFP)

Premierminister Dominique de Villepin will die anhaltenden Unruhen im Land kurzfristig mit hartem Durchgreifen beenden, die Ursachen der Probleme aber auch langfristig angehen. Der Premierminister dürfte unter anderem die Umsetzung eines bereits 2003 vorgestellten Plans zur Stadtmodernisierung beschleunigen, der die Investition von 30 Milliarden Euro in den Abbruch von Wohnblocks und den Bau neuer Gebäude vorsieht.

Frankreich habe 8000 Polizisten im Einsatz und 1600 weitere Reservisten eingezogen, sagte de Villepin am Montagabend im Fernsehen. Zu Forderungen nach einem Militäreinsatz sagte er: "So weit sind wir noch nicht." Man werde Schritt für Schritt vorgehen und alle nötigen Maßnahmen ergreifen.

Noch während Villepin sprach, gingen die nächtlichen Unruhen in eine neue Runde. In Toulouse stoppten Jugendliche einen Bus und setzten ihn in Brand. In vielen als gefährlich geltenden Orten wurde der öffentliche Nahverkehr mit Einbruch der Dunkelheit eingestellt.

Grüne und Kommunisten forderten unterdessen den Rücktritt von Innenminister Nicolas Sarkozy, der randalierende Jugendliche als "Gesindel" bezeichnet und damit nach Meinung von Kritikern die Stimmung in den Vorstädten noch angeheizt hatte.

Präsident Jacques Chirac hat vor dem Hintergrund der schweren Krawalle im Land die "Gettoisierung" der jungen Einwanderer aus Nord- und Schwarzafrika beklagt. Im Gespräch mit der lettischen Präsidentin Vaira Vike-Freiberga bedauerte Chirac auch die "Unfähigkeit der französischen Gesellschaft, sie (die Einwanderer) ganz zu akzeptieren".

Chirac war vorgeworfen worden, zu lange zu den Auseinandersetzungen und den sozialen Hintergründen geschwiegen zu haben. In einer kurzen Erklärung hatte er am Sonntagabend Ruhe und Ordnung zur obersten Priorität erklärt. Angesichts der anhaltenden Unruhen haben Dutzende Bürgermeister der oppositionellen Sozialisten in Frankreich einen sieben Punkte umfassenden Notfallplan gefordert.

Ihr "Appell für die Städte" solle "eine schnelle Rückkehr zu Bürgerfrieden und republikanischer Ordnung" ermöglichen und gleichzeitig die Weichen für eine bessere Zukunft in den Vorstädten stellen, erklärten die Kommunalpolitiker.

Sie verlangen unter anderem eine Aufstockung der Polizeikräfte sowie Geld, um die Schäden der Unruhen zu reparieren. Gleichzeitig sollten Städtebauprogramme beschleunigt und für soziale Einrichtungen, Präventionsprogramme sowie Bildung wieder mehr Geld zur Verfügung gestellt werden.

Bei den schlimmsten Unruhen in Frankreich seit mehr als zehn Jahren ist erstmals ein Mensch ums Leben gekommen. Ein Mann erlag seinen Verletzungen, der am Freitagabend in einem Pariser Vorort von Randalierern geschlagen worden war. Der 61-Jährige wollte einen brennenden Mülleimer löschen, als er angegriffen wurde.

Mit mehr als 1400 in Brand gesteckten Fahrzeugen und 395 Festnahmen erreichten die Ausschreitungen in der Nacht zum Montag einen neuen Höhepunkt. "Wir erleben eine Art Schockwelle, die sich im Land ausbreitet", sagte Polizeichef Michel.

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