Unions-regierte Länder:Massiver Widerstand gegen die Gesundheitsreform

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Das mühsam ausgehandelte Reformvorhaben gerät wieder ins Wanken und wird erneut zur ernsten Belastungsprobe der Koalition. Vor allem Unions-regierte Länder haben Korrekturwünsche.

Trotz eines Appells von Bundeskanzlerin Angela Merkel machen die unionsgeführten Länder immer schärfer Front gegen die Gesundheitsreform. Nachdem der Bundesrat einen umfangreichen Änderungskatalog verabschiedet hatte, drohten Bayern, Baden-Württemberg und Hessen offen mit Ablehnung, falls die Belastungen der Bundesländer nicht eindeutig geklärt würden.

Gesundheitsreform: Wer trägt die Kosten? (Foto: Foto: ddp)

Für die Unsicherheiten machten sie Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) verantwortlich. Auslöser der neuen Krise ist ein Gutachten der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Danach sind vor allem Bayern, Baden-Württemberg und Hessen die Verlierer des für 2009 geplanten Gesundheitsfonds.

Bei der Umsetzung müssten dem Gutachten zufolge bis zu 1,6 Milliarden Euro aus Baden-Württemberg, 1,04 Milliarden aus Bayern und 700 Millionen aus Hessen in die Ostländer fließen.

Merkel wurde von der Bild am Sonntag mit den Worten zitiert: "Die Bundesregierung hat den festen Willen, die im Zusammenhang mit einem neuen Gutachten aufgetretenen Probleme zu lösen." Sie wolle gemeinsam mit den Ländern "besonnen und zielgerichtet vorgehen", erklärte die Kanzlerin.

"Handwerklich schlechter Gesetzentwurf"

Nach Bayern drohte auch die baden-württembergische CDU mit der Ablehnung der Gesundheitsreform. Generalsekretär Thomas Strobl sprach in derselben Zeitung von einem "handwerklich schlechten Gesetzentwurf" und verlangte von Schmidt, sie solle "endlich ihre Hausaufgaben machen".

Strobl wurde mit den Worten zitiert: "Wir dürfen bei der Gesundheitsreform keinen Blindflug starten. Solange keine seriösen Zahlen vorliegen, wird es keine Zustimmung geben." Die Abstimmung mit den Ländern sei mangelhaft gewesen.

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber hatte Ende vergangener Woche erklärt, er werde nur zustimmen, wenn die Frage der Belastungen für sein Land eindeutig geklärt sei.

Der Gesundheitsexperte der SPD-Fraktion, Karl Lauterbach, meinte in der Welt am Sonntag, die Reform stehe auf der Kippe. "Wir haben eine sehr offene Lage", sagte er. DGB-Chef Michael Sommer forderte in der Bild am Sonntag die Revision des Entwurfs. Die große Koalition sollte ihn "noch einmal grundlegend überdenken", riet er.

Zweifel an Verfassungsmäßigkeit der Reform

Auch der Vorsitzende der Techniker-Krankenkasse, Norbert Klusen, forderte einen Neustart: "Es wäre ein Ausdruck politischer Stärke, jetzt noch einmal ganz von vorn anzufangen." Verfassungsrechtler Rupert Scholz (CDU) bezweifelte die Verfassungsmäßigkeit der Reform.

Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte Schmidt in der BZ am Sonntag auf, Klarheit zu schaffen in der Frage der Auswirkungen des Fonds auf die Länder. Kauder gab sich trotz der Kritik sicher, dass die Reform wie geplant am 1. April 2007 in Kraft tritt.

SPD-Chef Kurt Beck hat angesichts der neuen Auseinandersetzungen über die Gesundheitsreform den CDU/CSU- Koalitionspartner zur Verlässlichkeit gemahnt. "Die politischen Eckpunkte der Reform stehen", sagte Beck vor Beginn einer SPD-Präsidiumssitzung in Berlin. Nach einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Samstag wisse er, "dass wir in dieser Frage einer Meinung sind."

SPD-Generalsekretär Heil sagte der Berliner Zeitung, wenn jeder Kompromiss im Nachhinein von der "unionsinternen Opposition in den Ländern" wieder sabotiert werde, ließen sich Reformen nicht realisieren. Er griff Stoiber scharf an.

Kritische Position der SPD-Linken

Die Wortführerin der SPD-Linken, Andrea Nahles, knüpfte eine Zustimmung des Parteiflügels zur Reform an "deutliche Verbesserungen im Interesse der übergroßen Versicherten-Mehrheit in den gesetzlichen Krankenversicherungen". Der geplante Gesundheitsfonds werfe mehr Probleme auf, als er Lösungen bringe. Ihre "äußerst kritische Position" werde in der SPD "von vielen geteilt", betonte Nahles.

Bert Rürup, der Chef der Wirtschaftsweisen, kritisierte die Proteste einiger Unions-Ministerpräsidenten an dem Reformwerk. Stoiber sei bei allen Entscheidungen dabei gewesen. "Er war es, der eine fragwürdige Konvergenzklausel insbesondere zu Gunsten Bayerns durchgedrückt hat, und er hat als Vorsitzender der CSU den Kompromiss mitverkündet", sagte Rürup. "Die Gesundheitsreform ist, was die Finanzierungsseite angeht, ziemlich misslungen", räumte er jedoch in der B.Z. ein.

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