Union:Münchner Wechselbäder

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Mal droht die CSU, dann ist sie wieder sanft zu Merkel und der CDU: Betrachtungen über ein schwieriges Schwestern-Verhältnis und den "Geist von Kreuth".

Von Wolfgang Wittl, München

Wenn nichts Außergewöhnliches dazwischenkommt, was bei der CSU ja nie auszuschließen ist, dürfte an diesem Dienstag von München wieder ein Zeichen der Entspannung ausgehen. Das bayerische Kabinett wird sich mit Angela Merkels Antwortbrief auf die drohende Verfassungsklage beschäftigen und vermutlich zu dem Schluss kommen, dass alles gar nicht so schlimm sei. Ministerpräsident Horst Seehofer wird sich zwar eine Klage vorbehalten für den Fall, dass die Flüchtlingszahlen eines Tages wieder ansteigen, im Moment jedoch wird er davon absehen. Das wäre dann doch ein deutlich freundlicheres Signal als das vom Wochenende. Und damit sehr bezeichnend für das Binnenverhältnis zwischen CSU und CDU.

Seit Monaten wechseln Drohgebärden und Versöhnungsgesten in der CSU wie Sonne und Regen an einem Apriltag. Vor wenigen Tagen verlautete aus Bayern, die CSU werde einen Wahlkampf gegen die Kanzlerin führen, sollte Merkel in der Flüchtlingsfrage und im Umgang mit der AfD nicht auf den Kurs der kleinen Schwesterpartei einschwenken. CSU-Chef Seehofer selbst werde dann als bayerischer Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2017 antreten, quasi als Merkels personifizierter Widersacher. Sein Finanzminister Markus Söder ergänzte, das Verhältnis in der Union sei so schlecht wie seit 40 Jahren nicht. Damals wollte Franz Josef Strauß die Trennung der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU durchsetzen.

Finanzminister Markus Söder ist fürs Draufhauen zuständig. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Strauß schreckte davor zurück, seine Drohung wahr zu machen. Seine politischen Erben stehen somit in bester Tradition, wenn sie regelmäßig Giftpfeile nach Berlin schicken, sie aber selbst immer wieder einfangen. Eine bundesweite Wählbarkeit der CSU etwa, wie sie jetzt fast die Hälfte der Bürger befürwortet, kommt weder für Seehofer noch Söder infrage. Beide wissen, dass die CSU wenig zu gewinnen und viel zu verlieren hätte: Außerhalb Bayerns zöge die CSU rechtes Klientel an, auf das sie lieber verzichtete; im Freistaat verlöre sie in Konkurrenz mit der CDU ihr Alleinstellungsmerkmal als allein regierende Volkspartei. CDU und CSU wären also weiter aneinander gebunden, nur dass Merkel dann auch in München mitregierte.

Weit verbreitet ist in der CSU die Überzeugung, Seehofers Linie sei richtig und die von Merkel falsch. Bei zwei Basisdialogen am Wochenende erhielt der CSU-Chef große Zustimmung. Strittig hingegen ist in der Partei, ob die ständigen Attacken auf die Kanzlerin zielführend sind. In der CSU wächst zwar die Zahl der Mitglieder, die im Wahlkampf keinen Finger mehr für Merkel rühren wollen. Andererseits gibt es jene, die den Umgang mit der Kanzlerin für ungebührlich halten. Je schärfer die Kritik an Merkel ausfalle, desto schwieriger werde es für sie außerdem, wieder einzulenken. Die Kanzlerin sei bereits auf viele CSU-Positionen eingeschwenkt, nur werde das nicht öffentlich gesagt. "Eine groteske Situation" sei das, klagt ein führendes CSU-Mitglied: Internes Handeln und äußeres Erscheinungsbild der Bundesregierung stünden in völligem Widerspruch.

Im CSU-Vorstand war daher zuletzt viel von Haltung die Rede, die man zeigen müsse. Die Distanz in der Union "wächst, weil sich die CDU nach links bewegt", sagt Söder. Andere Vorstandsmitglieder warnen davor, die Union würde allein mit einem "Marsch nach rechts ihre Probleme lösen". Bayerns Innenminister Joachim Herrmann etwa vermisst bei der CDU auch ein klares wirtschafts- und steuerpolitisches Profil. "Wir dürfen den Mittelstand nicht vernachlässigen", fordert er. Es sei kein Zufall, dass neben der AfD auch die FDP immer mehr an Zustimmung gewinne.

In wenigen Wochen wollen sich die Spitzen von CDU und CSU auf neutralem Gelände treffen, um Themen für die Bundestagswahlen festzulegen. Sollte die CDU weiterhin alles abblocken, brauche er erst gar nicht dort hinzufahren, soll Seehofer bereits gesagt haben. Solche Sätze dürften auch dazu dienen, den eigenen Positionen mehr Nachdruck zu verleihen. Denn so sehr die CSU auch regelmäßig aufbegehrt - so beschränkt sind ihre Möglichkeiten, Einfluss auf die Kanzlerin zu nehmen.

Die jüngsten Drohungen mögen griffig formuliert sein, Substanz haben sie jedoch wenig, denkt man sie zu Ende: Wenn die CSU etwa mit einem eigenen Programm Wahlkampf gegen Merkel machte, säßen CDU und CSU am Ende doch wieder an einem Tisch und müssten sich einigen - in Koalitionsverhandlungen. Und falls Seehofer als CSU-Listenführer für den Bund kandidierte, würde er - anders als früher Strauß und Edmund Stoiber - sogar nach Ansicht vieler CSU-Mitglieder auch wirklich nach Berlin wechseln müssen. Andernfalls fühlten die Wähler sich verschaukelt. Seehofer hat allerdings mehrmals betont, er werde sein Amt als Ministerpräsident definitiv bis zum letzten Tag 2018 ausfüllen. Außerdem könnte er von Berlin aus kaum noch Einfluss auf seine Nachfolge nehmen. Wahrscheinlicher ist daher: Die CSU wird mit Nachdruck auf eine Einigung mit der CDU hinarbeiten - nur eben auf ihre ganz spezielle Weise.

© SZ vom 10.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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