Union:Demonstrativ frohgemut

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Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer verbreiten nach der Unionsklausur in Potsdam Einigkeit. Wenn da nur der Satz des Bayern mit der "Gruppenphase" nicht gewesen wäre...

Von Robert Roßmann, Potsdam

Die Vorsitzenden der beiden Unionsparteien, Angela Merkel und Horst Seehofer, bemühen sich nach ihrem monatelangen erbitterten Streit über die Flüchtlingspolitik jetzt um den Anschein von Einigkeit. Zum Abschluss einer zweitägigen Klausur der Spitzen von CDU und CSU in Potsdam sagte Merkel, die Debatten seien "sehr ernsthaft, konstruktiv und immer getragen von dem Willen gewesen, dass wir Lösungen entwickeln". Diese würden aber erst "in einem späteren Verfahren" kommen. Seehofer nannte die Gespräche "sehr ertragreich". Es seien "Lösungsansätze" besprochen worden. Inhaltliche Entscheidungen fielen auf der Klausur jedoch keine. Es gab in der Flüchtlingspolitik auch keine Annäherung in der Sache. Allerdings scheint die CSU ihre Angriffe auf die Schwesterpartei zumindest vorerst einstellen zu wollen.

In München ist die Einsicht gereift, dass der ständige Konflikt über die Flüchtlingspolitik auch der CSU schadet. Bei einer Vorbesprechung der Klausur vor eineinhalb Wochen in Berlin hatte sich Seehofer bereits friedfertig gegeben. Man wolle keine Vergangenheitsbewältigung mehr betreiben, sondern in die Zukunft schauen, war die Botschaft. Die Brexit-Entscheidung der Briten relativierte den Streit zwischen CDU und CSU zusätzlich.

Die Art, wie Merkel und Seehofer ihre Differenzen in Potsdam dann kaschierten, war aber erstaunlich. Neun Monate lang hatten sich die beiden in einer Weise über die Flüchtlingspolitik zerstritten, wie es in der gesamten Geschichte der Union Vorsitzende von CDU und CSU fast nie getan haben. In Potsdam taten die beiden Parteichefs dann aber beinahe so, als ob es den Konflikt nie gegeben hätte. Bei der abschließenden Pressekonferenz am Samstag wurden nur drei Fragen zugelassen - angeblich "wegen der Hitze", tatsächlich aber wohl eher, um die Eintracht nicht durch Journalisten-Fragen in Gefahr zu bringen.

Merkel und Seehofer teilten mit, dass man lange über Europa gesprochen habe. Das Thema habe den ganzen Freitag dominiert. Am Samstag habe man dann auch noch über fünf andere "Mega-Trends" beraten. Auf ihren Streit über die richtige Flüchtlingspolitik gingen die beiden Parteichefs in ihren Statements dagegen nicht ein. Dabei war die Klausur doch nur wegen dieses Streits anberaumt worden.

Auf der Klausur habe man "sechs Themenbereiche analysiert", sagte Seehofer. Neben der Europapolitik seien das Migration, Terrorbekämpfung, Digitalisierung, Umwelt sowie der Zusammenhalt der Gesellschaft. Zu diesen Themen würden CDU und CSU jetzt Arbeitsgruppen einsetzen und Kongresse veranstalten. "Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit" würden diese Kongresse am Ende auch Einfluss auf die inhaltliche Arbeit der Union haben, sagte Seehofer. Wo diese Kongresse stattfinden sollen, wer an ihnen teilnehmen soll und was genau sie bezwecken sollen, konnte einem jedoch noch niemand aus der Unionsspitze sagen. Sie sollen jedoch vor den Parteitagen Ende des Jahres stattgefunden haben. Für die Generalsekretäre von CDU und CSU dürfte das schon aus organisatorischen Gründen eine gewaltige Herausforderung sein.

Das Klima zwischen den Teilnehmern von CDU und CSU scheint bei der Klausur allerdings tatsächlich ziemlich entspannt gewesen zu sein, abgesehen vom Flüchtlingsstreit trennt CDU und CSU ja auch gar nicht so viel. "Selbstbewusst, aber friedlich" sei man miteinander umgegangen, sagte etwa EVP-Fraktionschef Manfred Weber. Am Freitagabend saßen alle bei einem Grillabend im Freien zusammen. "Der Grillabend ist das Sahnehäubchen der Klausur gewesen", sagte Seehofer am Samstag. Er sei "rundum zufrieden", CDU und CSU hätten jetzt "eine gute Basis". Er wies jedoch auch darauf hin, dass Merkel und ihm bewusst sei, dass sie noch "einen langen und nicht immer einfachen Weg zu gehen haben".

Eine kleine politische Stinkbombe hinterließ der demonstrativ frohgemute CSU-Vorsitzende dann aber doch noch in Potsdam. Auf die Frage, ob der Brexit für ihn eine Kanzlerkandidatur Merkels zur Stabilisierung Deutschlands und der EU notwendig mache, sagte Seehofer: "Wir befinden uns über ein Jahr vor der Bundestagswahl." Deshalb könne er die Frage nicht beantworten. Denn mit Merkels Kandidatur sei es wie mit der EM: "Eine Europameisterschaft beginnt nicht mit dem Finale, wir sind jetzt in der Gruppenphase und dann sehen wir weiter." Worauf die Nachrichtenagenturen erwartungsgemäß meldeten, Seehofer wolle sich noch nicht auf eine Kanzlerkandidatur Merkels festlegen.

© SZ vom 27.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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