Union:Abgrenzung auf dem Papier

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Hier folgen Flüchtlinge einem Polizeiwagen über die Grenze nach Deutschland. Die Beamten weisen den Menschen den Weg zu einem Registrierungszentrum. (Foto: Michael Dalder/Reuters)

CSU und CDU haben ihren Hauskrach in der Asylpolitik beendet. Auf sechs Seiten definieren sie, wo und wie die Probleme zu lösen sind. Mit der SPD liegen sie bei einigen Punkten quer.

Von Matthias Drobinski, München

Die entscheidende Passage steht im dritten Absatz des Sechs-Seiten-Positionspapiers, auf das sich am Wochenende CDU und CSU zur Bewältigung der Flüchtlingskrise und des eigenen Hauskrachs geeinigt haben. Die "zentralen Ziele" der Union seien, heißt es dort: "Zuwanderung ordnen und steuern sowie Fluchtursachen bekämpfen, um so die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren." Und dann: "Menschen in Not zu helfen und die Integration Schutzbedürftiger zu sichern." Die Ordnung und Steuerung steht vor der Hilfe und der Integration. Vor ein paar Wochen noch hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Prioritäten andersherum gesetzt. Allerdings: Von Obergrenzen für die Einreise von Flüchtlingen nach Deutschland, die Merkel so dezidiert ablehnte, wie Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer sie forderte, ist in dem Papier nicht die Rede.

Zu den Maßnahmen, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen, zählt die Union an erster Stelle die umstrittenen Transitzonen an den Landesgrenzen. Dort werde "für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern, mit Wiedereinreisesperre, mit Folgeanträgen und ohne Mitwirkungsbereitschaft ein beschleunigtes Asylverfahren einschließlich Rechtsmittelverfahren und Rückführung durchgeführt", heißt es. Vorbild sollen die Schnellverfahren sein, die es schon an deutschen Großflughäfen gibt. Sie seien "nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine Hafteinrichtung", argumentieren CDU und CSU. Ob das so ist und ob dadurch tatsächlich vor allem die Migranten aus dem Balkan zu Hause bleiben, daran zweifelt bislang der Koalitionspartner SPD.

Es gibt nun auch ein "soziokulturelles Existenzminimum"

Andere Vorschläge dürften auf weniger Kritik stoßen, zum Beispiel, dass "zwischen Deutschland und Österreich ein besseres und faires Grenzmanagement" vereinbart werden soll, mit binationalen Polizeistreifen entlang der Grenze. Auch gegen schnellere Asylverfahren und schnellere Abschiebungen dürfte die SPD so wenig einzuwenden haben wie gegen einen einheitlichen Flüchtlingsausweis, der die Verwaltung und Registrierung der Ankommenden vereinfacht. Die Union schlägt außerdem vor, dass bei Flüchtlingen mit "subsidiärem Schutz" der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt wird. Das würde zum Beispiel für einen Syrer gelten, der von einem türkischen Flüchtlingslager aus nach Deutschland gekommen ist. Sprach- und Integrationskurse sollen auf das "soziokulturelle Existenzminimum" angerechnet werden, wenn jemand Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz erhält - der Deutschkurs ist dann sozusagen eine staatlich gezahlte Kulturleistung, die den Theaterbesuch ersetzt.

Auf "europäischer und internationaler Ebene" möchte die Union "illegale Schleusungen und Migration beenden, legale Strukturen des Flüchtlingsschutzes und der Lastenverteilungen mit unseren Nachbarländern schaffen". Konkret soll vor allem die Türkei bei der Versorgung von Flüchtlingen besser unterstützt werden. Auch soll es ein legales Flüchtlingskontingent "aus der Türkei für die EU insgesamt" geben. Das Land soll mehr Menschen zurücknehmen, dafür könnten Türken bald ohne Visum in die EU reisen. Noch in diesem Jahr sollen die Aufnahme- und Verteilzentren in Griechenland und Italien funktionieren, fordert die Union, auch die Verstärkung von Frontex, der Außengrenzen-Truppe der EU, müsse "schnellstmöglich umgesetzt werden".

Nach dem Willen von CDU und CSU soll es bald in Afghanistan Schutzzonen für Flüchtlinge geben. Dann könne das Land mit der EU ein Rücknahmeabkommen schließen, ebenso mit Bangladesch. Das bestehende Abkommen mit Pakistan solle "effektiver umgesetzt werden". Allerdings gilt die Menschenrechtslage in Afghanistan als desaströs, in Bangladesch beklagt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, dass immer wieder Journalisten und Menschenrechtler verschwinden; in Pakistan gebe es Gewalt gegen Journalisten und religiöse Minderheiten.

Verglichen mit den vielen Ideen zur Begrenzung der Flüchtlingszahl ist die Passage zur Integration der Gekommenen kurz. Wer "zeitlich befristet oder dauerhaft" im Land lebt, soll schnell die Sprache lernen und in den Arbeitsmarkt integriert werden, es gebe "moderne Integrationskonzepte auf allen staatlichen und gesellschaftlichen Ebenen", lobt die Union. Zur Integration gehöre aber auch "das Verständnis und die Beachtung der Rechts- und Werteordnung des Grundgesetzes". Es habe sich erwiesen, "dass Forderungen nach ,Multikulti' und Parallelgesellschaften keinen Beitrag zur Lösung der Integrationsfrage zu leisten vermögen" - wobei die Zahl derer, die Parallelgesellschaften fordern, überschaubar sein dürfte.

Das Papier endet optimistisch: Bislang sei es gelungen, "ein Auseinanderdriften von Mehrheitsgesellschaft und Zuwanderern zu verhindern". Und so sei man überzeugt, "dass wir die politische und gesellschaftliche Identität unseres Landes, die gerade auch durch die erfolgreiche Politik der Union in sieben Jahrzehnten entstanden ist, durch die erfolgreiche Bewältigung dieser Herausforderung dauerhaft erhalten, sichern und stärken," lautet das Fazit. So viel "Wir schaffen das" darf noch sein.

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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