Ukraine:Stümper und Fälscher

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Wer hat 2014 eine Maschine der Malaysia Airlines über der Ostukraine abgeschossen? Satellitenbilder, die Beweise liefern sollte, wirken unecht.

Von Hans Leyendecker, München

Die Ermittlungen einer Sonderkommission, von welchem Gebiet aus und mit welcher Waffe am 17. Juli 2014 eine Boeing 777 der Malaysia Airlines über der Ostukraine abgeschossen wurde, sind noch nicht abgeschlossen. Fest steht: 298 Menschen starben. Es spricht fast alles dafür, dass das Flugzeug mit einem Raketensystem zur Flugabwehr, einer in der Sowjetunion entwickelten Buk M1, vom Himmel geholt wurde. Die Frage ist: Wer hat geschossen? Westliche Geheimdienste behaupten schon lange, es gebe keinen Zweifel, dass die Maschine von dem Separatistengebiet aus abgeschossen worden sei. Russland hingegen weist der Ukraine die Schuld zu. Auf Indizien und Plausibilitätserwägungen, aber vor allem auf Fotos kommt es bei der Wahrheitsfindung an.

Im Mai veröffentlichte die Moskauer Zeitung Nowaja Gaseta einen Untersuchungsbericht russischer Ingenieure, wonach die Maschine tatsächlich mit einer Buk abgeschossen worden sei - allerdings von einer ukrainischen Stellung aus. Als Beweis sollte ein Satellitenbild dienen. Bereits im Sommer vergangenen Jahres hatte Russland zwei Satellitenfotos veröffentlicht, die zeigen sollten, dass angeblich ukrainische Soldaten die Rakete abgeschossen hätten.

Die Investigativ-Plattform Bellingcat, die bislang in diesem Propagandakrieg mit sauberer Recherche aufgefallen ist, hat jetzt in einem Untersuchungsbericht die russischen Fotos auf Echtheit überprüft; und das Ergebnis ist aus Sicht der Prüfer klar: Es handelt sich um Fälschungen. Die Analyse soll "unzweifelhaft" ergeben haben, dass die Satellitenfotos falsch datiert und durch die Software Adobe Photoshop CS5 "digital verändert" worden seien.

Das eine Foto soll bereits im Juni, also einen Monat vor dem Abschuss, entstanden sein. Auch das andere Foto soll aus der Zeit vor dem Abschuss stammen. Wolken seien hinzugefügt worden. Die Bodenstruktur und die Vegetation seien zum Zeitpunkt der Katastrophe anders gewesen als auf den veröffentlichten Fotos. Wenn das Bellingcat-Team Recht hat, waren die Fälschungen vergleichsweise stümperhaft. Keine echte Fälscher-Qualität. Der Bundesnachrichtendienst hatte zeitweise gemutmaßt, die Buk M1 könnte aus ukrainischen Beständen stammen, sei aber von den Separatisten erbeutet worden und dann zum Einsatz gekommen. Ukrainer und Amerikaner gaben sich von Anfang an sicher, dass die Waffe aus Russland kam. Auch bei diesen Einschätzungen spielten Satellitenfotos eine große Rolle.

© SZ vom 02.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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