Ukraine:Retten, was zu retten ist

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In Berlin beraten die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine darüber, wie das Minsker Abkommen doch noch umgesetzt werden kann. Keine einfache Aufgabe - die Vereinbarungen werden immer wieder unterlaufen.

Von Stefan Braun, Berlin

Die Waffenruhe in der Ostukraine bleibt brüchig, der Rückzug schwerer Waffen ist umstritten und wirft weiter Fragen auf. Schließlich sind auch die Gefahren durch sich verselbstständigende Milizen nicht gebannt. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko warf in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel den Separatisten vor, diese würden die Waffenruhe brechen und seien nicht bereit, schweres Kriegsgerät abzuziehen, wie das Präsidialamt in Kiew am Montagabend erklärte. Trotzdem unternahmen die Außenminister Deutschlands und Frankreichs am Abend einen neuen Versuch, ihre Kollegen aus Kiew und Moskau, Pawel Klimkin und Sergej Lawrow, für die nächste Phase einer Befriedung des Konflikts zu gewinnen: Frank-Walter Steinmeier und Laurent Fabius strebten bei einem Treffen der vier Minister in der Berliner Villa Borsig konkrete Schritte an, wie nach den militärischen nun die politischen Vereinbarungen vom 12. Februar in Minsk in Angriff genommen werden. Bislang drehte sich wochenlang so gut wie alles darum, die Kämpfe zu beenden, also die Punkte eins bis drei des Minsker Abkommens umzusetzen. Das gelang nur bedingt: Schusswechsel gibt es bis heute, der Rückzug schwerer Waffen erweckt weder bei den Beobachtern der OSZE noch bei westlichen Geheimdiensten den Eindruck, hier würden Panzer oder Artillerie schon auf Dauer eingemottet. Im Gegenteil: Die Separatisten scheinen nach Nato-Angaben besser ausgestattet zu sein als vor dem Abkommen von Minsk, das am 12. Februar geschlossen wurde. "Es ist zu früh, Entwarnung zu geben", sagte Steinmeier vor dem Treffen. Trotzdem (oder gerade deswegen) müssen nach dem Willen des deutschen und des französischen Außenministers nun politische Beschlüsse folgen.

Mit der neuen Einladung nach Berlin zeigen Deutschland und Frankreich zweierlei: Sie wollen einerseits klarmachen, dass sie sich von den fortgesetzten Scharmützeln vor allem am Donezker Flughafen und am Stadtrand der Hafenstadt Mariupol nicht von ihrem Kurs abbringen lassen. Und sie unterstreichen, dass sie sich für das Schicksal der Minsker Verabredungen nach wie vor verantwortlich fühlen. "Es gibt einen dramatischen, einen deutlichen Rückgang der Zahl der verschiedenen militärischen Scharmützel", lobte gar ein Sprecher des Auswärtigen Amts.

Steinmeier selber wies am Abend zugleich darauf hin, dass es am Sonntag und Montag bei Kämpfen mehrere Tote gegeben habe.

Es geht um politische Lösungen, doch wird wohl auch über alte Vorwürfe verhandelt

Nun soll es um die politischen Beschlüsse von Minsk gehen, die es vor allem Kiew auferlegen, zu definieren und zu beschließen, wie die Zukunft der Ostukraine aussehen soll , wie und wann lokale Wahlen abgehalten werden können - und wie die Verfassungsänderung aussehen wird, die all dem zugrunde liegen muss. Das klingt klar, dürfte aber äußerst kompliziert werden - nicht zuletzt deshalb, weil all diese Entscheidungen nur Bestand haben werden, wenn die Separatisten und die russische Seite schlicht nicht alles verwirft, was in Kiew beschlossen wird. Das beginnt schon bei der Frage, welche Gebiete präzise zum neuen Sonderstatus-Gebiet gehören werden. Dieses Gesetz ist gerade in Kraft getreten, aber bislang von den Separatisten zurückgewiesen worden. Hinzu kommen Regeln zu einer Amnestie und zu den Rechten lokaler Polizeien sowie die Frage des Gefangenenaustausches. Aus diesem Grund ging es am Montagabend unter anderem um die Einrichtung von Arbeitsgruppen. Sie sollen im Rahmen der Kontaktgruppe, der neben der OSZE auch Vertreter Kiews, Moskaus und der Separatisten angehören, erste konkrete Absprachen vorbereiten.

Nicht auszuschließen war jedoch, dass es in der Villa Borsig - einem Anwesen am Stadtrand Berlins, das zum Auswärtigen Amt gehört - zunächst um gegenseitige Vorwürfe über eine mangelnde Umsetzung des Minsker Abkommens gehen könnte. Wie zu hören war, sehen Deutsche und Franzosen dabei aber beide Seiten in der Verantwortung, entsprechend könne keine Seite der anderen besondere Vorhaltungen machen. Bewusst scheint allen zu sein, dass es nicht viel an Aggression bedürfe, um in eine neue Eskalationsphase zu geraten: ,,Wir müssen da sehr aufpassen'', hieß es.

© SZ vom 14.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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