Ukraine:Rebellen gründen "Kleinrussland"

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Die Aufständischen aus der ostukrainischen Stadt Donezk überraschen mit dem Vorstoß selbst ihre Verbündeten in Moskau.

Von Frank Nienhuysen, München

Im Osten der Ukraine haben prorussische Rebellen überraschend die Gründung eines neuen Staates mit dem Namen "Kleinrussland" angekündigt. Die Vertreter der von Separatisten kontrollierten Regionen Donezk und Luhansk hätten sich auf die Ausarbeitung einer Verfassung verständigt und wollten diese der Bevölkerung zur Abstimmung vorlegen, sagte der Donezker Rebellenführer Alexander Sachartschenko. Der Staat "Malorossija" soll demnach sogar nicht nur die Rebellengebiete in der Ostukraine umfassen, sondern auch die übrige Ukraine.

"Kleinrussland" geht auf einen Begriff aus der Zarenzeit zurück, als die ukrainischen Gebiete im russischen Reich so bezeichnet wurden. "Wir, die Vertreter der Regionen der früheren Ukraine, ausgenommen die Krim, proklamieren die Gründung eines neuen Staates, der Nachfolger der Ukraine ist", erklärte Sachartschenko nach Berichten der russischen Nachrichtenagentur Tass. Dies sei der einzige Weg, um den Krieg im Donbass zu beenden.

Der russische Gesandte spricht von einem "Informationskrieg"

Die Ankündigung löste am Dienstag Besorgnis über den Verlauf der Friedensgespräche aus. Der Minsker Prozess dürfte damit weiter belastet werden. Er sieht unter anderem vor, dass die von den Rebellen kontrollierten Gebiete in den ukrainischen Staat integriert werden, diese dafür im Gegenzug weitreichende Autonomierechte erhalten. Doch wie die meisten anderen Punkte des Minsker Abkommens ist auch dies bisher nicht umgesetzt worden. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko kündigte am Dienstag seinerseits an, die Ukraine werde "die Souveränität über den Donbass und die Krim wieder herstellen". Sachartschenko sei keine politische Figur, sondern eine Marionette des Kremls, sagte Poroschenko. Die Krim ist von Russland vor drei Jahren annektiert worden.

Die Bundesregierung reagierte mit Befremden auf die Ankündigung eines neuen Staates "Kleinrussland". Dies sei "völlig inakzeptabel". Sachartschenko habe keinerlei Legitimation, um für diesen Teil der Ukraine zu sprechen, erklärte ein Sprecher in Berlin. Er erwarte, dass Russland "diesen Schritt ebenfalls verurteilt und dass es ihn weder respektiert noch gar anerkennt".

In Moskau bezeichnete der russische Sondergesandte in der Ukraine-Kontaktgruppe, Boris Gryslow, die Erklärung von Rebellenführer Sachartschenko "einen Informationskrieg". Diese Initiative passe nicht zum Minsker Prozess und habe keine rechtlichen Folgen, "ich betrachte sie lediglich als Einladung zu einer Diskussion", sagte Gryslow. Auch der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im russischen Föderationsrat, Konstantin Kossatschow, kritisierte den Vorstoß, der jeglicher Logik des Minsker Friedensprozesses widerspreche. Selbst einige Aufständische sagten, sie hätten nicht die Absicht, sich einem solchen neuen Staat anzuschließen. Der Rebellenchef des Luhansker Gebiets, Igor Plotnizki, zeigte sich überrascht und sagte, dass das Projekt "nicht mit uns abgesprochen" sei.

© SZ vom 19.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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