Ukraine:Herzlich Willkommen, Mister President

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Was bedeutet es für die Ukraine, wenn Trump die Nähe zu Putin sucht? Einer der reichsten Männer des Landes hätte schon mal eine Idee: die Krim aufgeben.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Der 20. Januar rückt schnell näher - und damit die Amtseinführung des nächsten US-Präsidenten, Donald Trump. Ihm hat der ukrainische Oligarch Wiktor Pintschuk, einer der reichsten Männer des Landes, nun den roten Teppich ausgerollt - mit einem Meinungsbeitrag in der US-Zeitung Wall Street Journal, der als Tabubruch zu werten ist und in Pintschuks Heimat heftige Gegenwehr auslöste. Tatsächlich hat Trump immer wieder betont, er wolle auf Russland zugehen und nannte Wladimir Putin einen "klugen Kerl"; in Kiew befürchtet man, dass die Ukraine für diese Annäherung den Preis zahlen muss.

Die Ausgangslage ist, zumindest darüber herrscht Einigkeit, mehr als deprimierend: In den vergangenen Wochen haben die Kampfhandlungen an der ostukrainischen Front wieder stark zugenommen, 10 000 Menschen sind im Krieg bereits gefallen, diplomatische Fortschritte sind nicht zu verzeichnen. Pintschuk mischt sich nun mit einem hoch umstrittenen Vorschlag ein. Die neue Regierung in Washington, schrieb der Milliardär, stelle eine Chance für sein Land dar, die Krise rund um Russlands Intervention in der Ostukraine zu beenden. Der Titel seines Appells: "Die Ukraine muss schmerzvolle Kompromisse für einen Frieden mit Russland eingehen."

Sonnenuntergang im Rücken, Krim-Schriftzug auf der Brust: Wladimir Putin auf Leinwand. (Foto: Dmitry Serebryakov/AFP)

Konkret schlug der Unternehmer und Schwiegersohn von Ex-Präsident Leonid Kutschma vor, den Anspruch auf die 2014 von Russland annektierte Krim aufzugeben. Kiew müsse zudem die von Moskau geforderten Lokalwahlen in den Separatistengebieten zulassen - auch wenn Moskau seine Waffen nicht vor den Wahlen abziehe und wenn diese nicht den westlichen Idealen von Freiheit und Gleichheit entsprächen. Die Sanktionen gegen Russland seien aufzuheben. Ach ja, und den langfristigen Anspruch auf Mitgliedschaft in EU und Nato solle Kiew auch gleich noch aufgeben. All das solle geschehen, wenn - oder damit, da bleibt der Oligarch vage -, Moskau im Gegenzug bereit sei, der Ukraine Sicherheitsgarantien zu geben und den Krieg im Donbass zu beenden.

Der Chef der krimtatarischen Vertretung, Refat Tschubarow, sprach daraufhin von "Verrat" und "Kapitulation". Parlamentarier in Kiew sagten, die Initiative für den Text komme direkt aus dem Trump-Lager und sei Pintschuk quasi diktiert worden, andere wiederum betonen, hier habe der Kreml selbst seine Finger im Spiel gehabt. Der Ukrainer habe mitgespielt, um seine wirtschaftlichen Interessen zu schützen.

Was den 56-Jährigen wirklich antreibt, ist unklar. Pintschuk, der sein riesiges Vermögen vor allem in den Neunzigerjahren durch durchtriebene Ausschreibungen und die Privatisierung von Staatsvermögen zu Schleuderpreisen machte, geriert sich seit Jahren als Pro-Europäer. Den Aufstand auf dem Maidan unterstützte er, wenngleich er, wie viele andere Oligarchen seines Landes, zuvor ein Parteigänger vom später abgesetzten Viktor Janukowitsch gewesen war. Ökonomisch ist er über sein Firmenimperium, das unter anderem Stahl und Rohrleitungen produziert, bis heute eng mit den russischen Staatskonzernen Rosneft und Gazprom verbunden.

Pintschuk soll sich, wie ein mit europäischer Unterstützung finanziertes, investigatives ukrainisches Rechercheteam mit dem Namen "Oligarch Watch" berichtet, auch während der Intervention russischer Truppen auf der Krim und in der Ostukraine nie kritisch über Putin geäußert haben, wie es sonst in Kiew an der Tagesordnung ist. Dazu passen nun seine freundlichen Bemerkungen über Trumps künftigen Kurs und die Hoffnung, mit der Hilfe des designierten US-Präsidenten eine Wieder-Annäherung an Russland zu erreichen.

Diese lassen aber auch unter einem anderen Blickwinkel aufhorchen: Der gebürtige Kiewer war lange Zeit demonstrativ ein Fan von Hillary Clinton gewesen. Sie war, ebenso wie ihr Ehemann Bill, mehrmals als hoch bezahlte Rednerin auf den Konferenzen aufgetreten, die der Unternehmer und Philantrop alljährlich unter dem Titel "Yalta European Strategies" abhält. Die Clintons nennen den Ukrainer einen "Freund", er nannte Hillary einen "Megastar". Der Clinton-Stiftung hat Pintschuk, der bereits mehr als 100 Millionen Dollar für humanitäre Zwecke gespendet hat, mehrmals große Summen zukommen lassen. Allerdings: Auch der damalige Unternehmer Trump soll für eine kurze Videoschalte nach Jalta 150 000 Dollar bekommen haben.

Nun wird Trump Präsident, und mancher Ukrainer orientiert sich neu. Befürchtet wird, dass die Wirtschaftselite, die massiven politischen Einfluss und mit Petro Poroschenko einen Vertreter an der Staatsspitze hat, damit Putin in die Hände spielen könnte. Derzeit herrscht noch der alte Ton: Bei einem Frontbesuch des republikanischen US-Senators John McCain mit Poroschenko verkündete McCain, 2017 würden die "Invasoren besiegt".

© SZ vom 05.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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