Ukraine:Das Vertrauen schwindet

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Nach dem Rücktritt eines reformorientierten Schlüsselministers zeichnet sich in der Ukraine eine Regierungskrise ab. Grund ist der schleppende Kampf gegen die Korruption. Gleichzeitig flammen auch noch die Kämpfe im Osten auf.

Von Frank Nienhuysen, München

Die ukrainische Führung schwört die Regierung nach dem Rücktritt des Wirtschaftsministers auf einen engeren Zusammenhalt ein und will so offenbar ein Auseinanderfallen des Kabinetts verhindern. "Wir sind ein Team, und sollte das Parlament dies anders sehen, dann werden wir alle gemeinsam gehen", sagt Regierungschef Arsenij Jazenjuk am Freitag. Der auch im Westen geschätzte Wirtschaftsminister Aivaras Abromavicius hatte am Mittwochabend seinen Rücktritt erklärt und gesagt, er wolle keine Marionette von irgendwelchen Offiziellen sein. Mehrere Politiker, auch einer aus der Partei von Präsident Petro Poroschenko, hätten ihn unter Druck gesetzt, "dubiose Leute" für Führungsposten in Staatsunternehmen zu nominieren. Der Minister beschuldigte nach einem Bericht der Kyiv Post konkret den Vizefraktionschef Ihor Kononenko der Korruption.

Der Rücktritt des reformorientierten Ministers ist ein schwerer Schlag im Kampf gegen Korruption und die Wirtschaftskrise. Das Vertrauen der Menschen schwindet, etwa die Hälfte der Bevölkerung ist nach ukrainischen Medienberichten für Neuwahlen. Dabei ist eine stabile Regierung dringend nötig, um Investoren und den Internationalen Währungsfonds (IWF) zu überzeugen. Der IWF hat bereits eine Auszahlung von 3,4 Milliarden Dollar verschoben. Die Organisation Transparency International erklärte, dass in der Ukraine Zivilgesellschaft, Journalisten und Whistleblower effektiver seien im Kampf gegen Bestechung als die Behörden.

Präsident und Premier müssen sich also in Kiew gegen eine Krise stemmen, während gleichzeitig die Gewalt im Osten wieder aufflammt. Die OSZE-Beobachtermission beklagt, dass die Verletzung der Waffenruhe massiv zugenommen habe. Ihre Mitarbeiter könnten sich auch in den von Separatisten kontrollierten Gebieten nicht frei bewegen. Nächste Woche jährt sich erstmals der Minsk-Vertrag, erfüllt ist praktisch keiner der Punkte. Gerade erst erklärte der Donezker Separatistenführer Alexander Chodakowski der dpa, es käme nicht in Frage, dass Kiew die Kontrolle an der Grenze zu Russland übernehme, wie es das Abkommen vorsieht. Kanzlerin Angela Merkel rief Moskau auf, mehr Einfluss auf die Separatisten zu nehmen.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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