Tzipi Livni in Israel:Glaubwürdige Stimme

Lesezeit: 2 min

Nach ihrer Wahl zur Kadima-Parteivorsitzenden könnte Livni Israels Regierung aus der Abhängigkeit von den Rechtsparteien befreien.

Thorsten Schmitz

Israels Außenministerin Tzipi Livni hätte gerne mit einem deutlichen Ergebnis ihren Konkurrenten Schaul Mofas besiegt. Der Vorsprung von mageren 431 Stimmen bei der Wahl um den Kadima-Parteivorsitz wird ihr eine Regierungsbildung erschweren. In gewisser Weise kann er aber auch hilfreich sein.

Tzipi Livni könnte die mächtigste Frau Israels werden. Doch um eine stabile Regierungskoalition zu bilden, muss sie den Riss in Kadima kitten. (Foto: Foto: AP)

Dass 20000 Kadima-Mitglieder für sie und 19500 für Mofas gestimmt haben, zeigt, wie gespalten die Partei ist. Mofas steht für konventionelle Israelpolitik, die den palästinensischen Terror mit militärischen Mitteln bekämpft und diplomatischen Initiativen nur Zweitrangigkeit einräumt. Livni dagegen glaubt an den Friedensprozess und redet seit zehn Monaten mit den Palästinensern.

Im Atomstreit mit Teheran setzt sie auf Sanktionsinitiativen, Mofas dagegen möchte Irans Atomanlagen am liebsten schon morgen bombardieren. Will Livni Golda Meir beerben und Israels zweite Regierungschefin werden, muss sie doppelte Kärrnerarbeit leisten: eine stabile Regierungskoalition zusammenschustern und den Riss in Kadima kitten.

Kadima hatte nach dem Gehirnschlag Ariel Scharons im Januar 2006 ihren übermächtigen Gründervater verloren. Ehud Olmert konnte das Vakuum nicht füllen. Zu sehr war er mit sich selbst und Erste-Klasse-Flügen beschäftigt, als dass er seine Agenda vom Rückzug aus dem Westjordanland hätte verfolgen wollen. Üblicherweise fallen Premierminister in Israel, weil ihre Palästinenserpolitik boykottiert wird.

Olmert ist über seinen Hang zum Luxus gestolpert. Hinzu kommt, dass er immer zwar vom Frieden redete, gleichzeitig aber die jüdischen Siedlungen ausbauen ließ. Damit säte er Misstrauen. Sogar noch am Tag der Kadima-Wahl ließ er realitätsfremd wissen, er müsse Palästinenserpräsident Machmud Abbas nur noch ein paarmal treffen, dann könne man sich auf ein Friedensabkommen einigen.

Livni muss der Partei jetzt ein Gesicht geben und ein Programm. Zu wirtschaftspolitischen Themen hat sie sich bislang nicht geäußert, obwohl denen von der Gesellschaft fast mehr Bedeutung beigemessen werden als dem Friedensprozess. Außerdem zwingt das knappe Ergebnis Livni zur Zusammenarbeit mit Mofas, was letztlich der Stabilität der Koalition zugutekäme. Als Regierungschefin könnte Livni Mofas das Verteidigungsressort überlassen, das er schon einmal innehatte.

Dass er von Olmert zum Verkehrsminister ernannt worden war, empfand der frühere Armeechef Mofas stets als Schmach. Im Gegenzug würde Mofas seine Klientel mit ins Regierungsboot hieven, die ultra-orthodoxe Schas. Außenminister könnte Ehud Barak werden, der frühere Premierminister, der ebenso wenig wie Mofas Neuwahlen anstrebt, weil dann der Likud von Oppositionsführer Benjamin Netanjahu gewönne.

Livnis Sieg birgt aber auch eine verlockende Alternative: den Abschied von der Rechten. Würde Mofas Kabinettsmitglied ohne die Beteiligung der Schas, dann könnte die Premierministerin die linke Meretz-Partei in die Koalition aufnehmen. Zum Regieren reichte es allemal, zum Auflösen jüdischer Siedlungen auch, wie es der Friedensfahrplan des Nahostquartetts vorsieht.

Bislang haben sich fast alle israelischen Regierungen von rechten und religiösen Parteien erpressen lassen und deren Partikularinteressen nachgegeben, nur um des Koalitionsfriedens willen. Auf der Strecke blieb dabei regelmäßig der Friedensprozess, weil die Rechten und Religiösen bis heute nicht verinnerlicht haben, dass ihr Traum von einem Groß-Israel vom Jordan bis zum Mittelmeer die Existenz des jüdischen Staates gefährdet.

Ohne Rebellen in der eigenen Koalition aber könnte Livni die Friedensgespräche fortsetzen und gleichzeitig der israelischen Politik eine wichtige Währung für ihr Geschäft zurückgeben, die angesichts von Bestechungs- und Korruptionsskandalen verlorengegangen war: Glaubwürdigkeit.

© SZ vom 19.09.2008/mati - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: