Türkei und Visa:Die Freiheit geb' ich dir

Die EU wird der Türkei Visumsfreiheit aus Kalkül geben.

Von Thomas Kirchner

Seit Wochen ist abzusehen, was am Mittwoch bevorsteht. Die EU-Kommission wird empfehlen, der Türkei die heiß begehrte Visumsfreiheit zu gewähren - im Wissen, dass Ankara einige eher wichtige Voraussetzungen nicht erfüllt hat und wohl auch in absehbarer Zeit nicht erfüllen kann. Die türkische Regierung hat sich zwar unheimlich gesputet und die Liste mit den Bedingungen der EU in den vergangenen Monaten im Eiltempo abgearbeitet. Aber irgendwann musste der Punkt erreicht werden, an dem grundsätzliche Differenzen zutage treten.

Was etwa die Beurteilung und die Kriterien von "Terrorismus" betrifft, werden sich die europäischen und die türkischen Auffassungen nicht mal eben mit einer schnellen Gesetzesänderung angleichen lassen. Man wird der Kommission und auch der Bundesregierung (die sich für den Deal mit der Türkei besonders starkmacht) vorwerfen, sich nicht an ihre Versprechungen gehalten zu haben. Hatte es nicht geheißen, dass die Türkei in dieser Frage "keinen Rabatt" erhalten dürfe?

Darauf wird man in Brüssel und Berlin eine unbeliebte, aber berechtigte Gegenfrage stellen, um sich politischen Spielraum zu verschaffen: Was wäre denn die Alternative? Soll deswegen das Abkommen mit der Türkei platzen, das diese Flüchtlingskrise überhaupt erst beherrschbar gemacht hat? Ohne den wäre Europa wohl längst im Chaos versunken.

© SZ vom 03.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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