Türkei und Russland:Es bleibt kompliziert

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Die Staatschefs der Türkei und Russlands pflegen zwar eine enge Beziehung und treffen sich schon zum fünften Mal in diesem Jahr. Was den Krieg in Syrien angeht, sind sich Putin und Erdoğan aber weiter alles andere als einig.

Von Luisa Seeling, München

Nimmt man die Häufigkeit der Treffen als Gradmesser, dann steht es nicht schlecht um die Beziehungen zwischen Ankara und Moskau. Zum fünften Mal in diesem Jahr trafen sich am Montag der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und sein russischer Kollege Wladimir Putin. Vier Stunden dauerte dauerten ihre Gespräche. Es ging auch um Geschäftliches, etwa Kauf des Flugabwehrsystems S-400; gut zwei Milliarden Dollar will sich das Nato-Land Türkei die russische Rüstungstechnik kosten lassen. Eine Anzahlung, sagte Erdoğan vor Wochen, sei überwiesen, 2018 sollen die Raketen geliefert werden. Auch der Bau des Atomkraftwerks Akkuyu in der Südtürkei, an dem Russland mit Milliarden-Investitionen beteiligt ist, stand auf dem Plan für das Treffen in Sotschi am Schwarzen Meer.

Doch es gibt deutlich heiklere Punkte zwischen Ankara und Moskau, an denen sich ablesen lässt, dass die Partnerschaft beider Länder an Grenzen stößt. Vor allem im Bürgerkriegsland Syrien verfolgen die Türkei und Russland nach wie vor unterschiedliche Interessen, zumindest in Teilen. Für weitere Bemühungen, den Syrien-Konflikt politisch zu lösen, sprachen sich Putin und Erdoğan in Sotschi beide aus. Einen geplanten "Kongress der Völker Syriens", zu dem das russische Außenministerium eingeladen hat, sprachen sie nach dem Treffen zumindest nicht öffentlich an. Vertreter aller syrischen Volks- und Religionsgruppen sollten im November zusammenkommen, um eine syrische Nachkriegsordnung zu beraten. Die Türkei stört sich daran, dass die syrische Kurdenpartei PYD teilnehmen soll. Aus Sicht Ankaras gehören die PYD und ihr militärischer Arm YPG zur "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die in der Türkei als Terrororganisation verboten ist. Während Russland Syriens Kurden einbinden will und sie in Moskau sogar eine Art diplomatische Vertretung eröffnen ließ, will die Türkei ein unabhängiges Kurdengebiet an seiner Grenze unbedingt verhindern.

Putin warb in Sotschi auch für die gemeinsame Erklärung zum Syrienkrieg, die er mit US-Präsident Donald Trump am Rande des APEC-Gipfels in Vietnam abgestimmt hatte; eine Friedenslösung für Syrien solle im Rahmen der Genfer Verhandlungen unter Führung der UN gesucht werden, heißt es darin. Erdoğan hatte vor seiner Reise kritisiert, dann sollten Russland und die USA doch bitte auch ihre Truppen aus Syrien abziehen. In Sotschi wies der russische Präsident nun daraufhin, es gehe in dem Papier mit den USA auch darum, die Terrormiliz IS endgültig zu besiegen und Syriens Souveränität zu bewahren. Erdoğan sagte nur, die Türkei halte die Erklärung für wichtig.

Ihm kann eine stärkere Verlagerung der Syrien-Verhandlungen von den Konferenzen in Astana - die Russland mit der Türkei und Iran ins Leben rief - nach Genf nicht gefallen, denn der türkische Einfluss auf Syriens Zukunft würde damit wohl verringert. Zugleich hat Ankara kein Interesse, auf Konfrontationskurs zu Moskau zu gehen. Als es 2015 zum Streit kam, weil die Türkei einen russischen Kampfjet abschoss, waren die Folgen für das Land verheerend: Moskau belegte die Türkei mit Sanktionen, russische Touristen blieben aus. Erst, als sich Ankara für den Vorfall entschuldigte, gelang die diplomatische Wiederannäherung.

© SZ vom 14.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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