Türkei und Griechenland:Höherer Wellengang in der Ägäis

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Blockiert: Das Bohrschiff Saipem 12000 des italienschen Energiekonzerns Eni wird von türkischen Marineschiffen gehindert, vor Zyperns Südosten zu fahren. (Foto: AP)

Der alte Streit zwischen den beiden Ländern um Inseln, Luftraum und Grenzen im östlichen Mittelmeer erhitzt sich wieder - befeuert wird er von möglichen Öl- und Gasquellen.

Von Luisa Seeling, München

Klein ist sie, nur vier Hektar groß, und auch das Wort "Inselgruppe" ist ein wenig hoch gegriffen. Denn Imia - so der griechische Name, auf Türkisch Kardak - besteht nur aus zwei Inselchen, Sprengseln in der östlichen Ägäis, etwa sieben Kilometer entfernt von der türkischen Küste. Bewohnt ist Imia/Kardak nicht, trotzdem steht das felsige Inselduo im Mittelpunkt eines immer wieder auflodernden Konflikts zwischen Griechenland und der Türkei. Es geht um die Luft- und Seegrenze zwischen den beiden Ländern; wo genau die verläuft, ist umstritten. Mitte der Neunzigerjahre kam es schon einmal fast zum Krieg deswegen.

Auch in dieser Woche gab es wieder einen Zwischenfall, ein griechisches Patrouillenboot kollidierte in der Nacht auf Dienstag mit einem türkischen. Verletzt wurde niemand, das griechische Boot wurde beschädigt. Beide Seiten beschuldigten sich gegenseitig, die Kollision mit riskanten Manövern bewusst herbeigeführt zu haben: Ein Sprecher des griechischen Premierministers Alexis Tsipras sagte, es sei nicht notwendig, weiter "Öl ins Feuer zu gießen"; der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan erklärte, man warne Griechenland schon lange davor, sich in "brisante Situationen" zu bringen. Schon bald aber folgten Deeskalationsversuche, am Dienstagabend telefonierten Tsipras und sein türkischer Gegenpart miteinander, Premierminister Binali Yıldırım. Am Mittwoch wurden Boote beider Küstenwachen aus dem Gebiet um Imia abgezogen; dort hatte es tags zuvor noch "gewimmelt" von Booten, wie griechische Medien berichten.

Der Konflikt dahinter ist damit aber nicht gelöst. Zu den Spannungen trägt bei, dass sich derzeit zwei Konflikte überlagern: Der schon seit Jahrzehnten schwelende Streit zwischen Ankara und Athen um die See- und Luftgrenzen in der Ägäis - und eine handfeste Auseinandersetzung um Gasvorkommen vor der Mittelmeerinsel Zypern. Am Freitag hatte die türkische Marine ein Erkundungsschiff des italienischen Ölkonzerns Eni gestoppt, das südöstlich von Zypern nach Gas suchen wollte. Dort hatte Eni die Genehmigung erhalten, nach Erdgas zu suchen - in einem Gebiet, das Teil der "exklusiven Wirtschaftszone" Zyperns ist. Das Problem: Die Insel ist seit 1974 geteilt, in einen griechischen und einen türkischen Teil. Die Türkei erkennt den griechischen Südteil nicht an, unterhält aber enge Verbindungen zum türkischen Norden. Die restlichen Staaten der Welt erkennen wiederum die "Türkische Republik Nordzypern" nicht an. Für sie ist die Regierung im Süden legitime Vertretung der Insel. Seit 2004 ist Zypern EU-Mitglied. Offiziell umfasst das die ganze Insel, de facto ist im Norden EU-Recht ausgesetzt, solange die Insel nicht wiedervereinigt ist. Der letzte Versuch, den Konflikt zu lösen, scheiterte vergangenes Jahr in Genf.

Im östlichen Mittelmeer gibt es umfangreiche Gasvorkommen, die unterschiedlichen Wirtschaftszonen zugerechnet werden. Eine Studie beziffert den Wert der zyprischen Öl- und Gasvorkommen auf mehr als 600 Milliarden Euro. Der kleine Inselstaat träumt seit Jahren von einer Zukunft als Energiegroßmacht. Gemeinsam mit Griechenland, Israel und Italien will Zypern eine Pipeline bauen. Inwieweit sich die aufwendige und deshalb teure Förderung der Bodenschätze überhaupt lohnt, ist allerdings umstritten.

Wer die strittigen Inseln betritt, dem will Erdoğans Chefberater "Arme und Beine brechen"

Trotzdem hat schon die bloße Aussicht auf Reichtümer die Spannungen mit der Türkei verschärft. Ankara versteht sich als Schutzmacht der türkischen Zyprer und fordert für diese eine Beteiligung an möglichen Gewinnen aus der Gasförderung. Präsident Erdoğan warnte am Dienstag internationale Ölfirmen und die zyprische Regierung davor, sich an der Förderung von Bodenschätzen in zyprischen Gewässern zu beteiligen, solange die politischen Fragen nicht geklärt seien. "Wir warnen alle, die in Zypern Grenzen verletzen, vor Fehlkalkulationen." Griechenlands Außenministerium kritisierte, das Vorgehen der Türkei sei eine eklatante Verletzung der souveränen Rechte Zyperns. Der europäische Ratspräsident Donald Tusk forderte die Türkei auf, Drohungen gegen die Insel zu unterlassen. Wirkung zeigte das zunächst nicht - auch am Mittwoch lag das Eni-Schiff Saipem 12 000 etwa 50 Kilometer von seinem Ziel entfernt fest - in der Hoffnung, dass die Türkei ihre Blockade doch noch aufhebt.

Die Kollision in der Ostägäis und der Gasstreit hängen zwar nur mittelbar zusammen. Doch die Spannungen im östlichen Mittelmeer nehmen unübersehbar zu. Und während sich die Premiers der Türkei und Griechenlands um Deeskalation bemühen, stößt Erdoğans als besonders heißblütig bekannter Chefberater Yiğit Bulut bereits neue Drohungen aus: Man werde jedem Offizier und jedem Minister die "Arme und Beine brechen", der auch nur einen Fuß auf die beiden Inselchen setze, sagte er im Staatssender TRT.

© SZ vom 15.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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