Trump und Taiwan:Vorlage für Chinas Hardliner

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Wenn es einen Wandel mit China geben soll, dann nicht so, wie es Donald Trump vormacht: unberechenbar, auftrumpfend und provozierend. Denn kein Anführer in Peking kann es sich leisten, in der Taiwan-Frage als weich dazustehen.

Von Kai Strittmatter

Viele jubeln in Taiwan: Endlich schaut die Welt mal wieder hin. Das geschieht tatsächlich viel zu selten. Für alle, die sich in diesen düsteren Zeiten um das Charisma von Demokratie und Freiheit sorgen, ist Taiwan ein Juwel. Es ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte, gerade als politisches Vorbild: eine Gesellschaft, die in den vergangenen drei Jahrzehnten friedlich der Diktatur den Rücken gekehrt und sich in eine lebendige Demokratie verwandelt hat. Die Taiwaner sind Asiens leidenschaftlichste Demokraten, vor allem aber sind sie der lebendige Gegenbeweis zu Pekings Behauptung, Chinesen und Demokratie, das passe nicht zusammen.

Deswegen haben die Taiwaner nicht unrecht, wenn sie es schäbig nennen, dass die Welt sie als Paria behandelt. De facto ist die kleine Insel seit Ende des chinesischen Bürgerkriegs 1949 ein eigenes Land. Doch China zwingt mit großem Druck die Welt dazu, Taiwan so zu behandeln, als existiere es nicht. Weil es aus Pekings Sicht nur ein China geben darf. Und weil das die Volksrepublik China zu sein hat, und nicht jene "Republik China", die 1949 durch die Flucht der Bürgerkriegsverlierer von der Kuomintang nach Taiwan ihrem Untergang entging. Das ist nicht nur eine Sache des Protokolls; für Taiwan hat dies bittere Folgen. So darf Taiwan in fast keiner der internationalen Organisationen Mitglied sein, man sperrt die Insel von der Weltgesundheitsorganisation WHO aus und verweigert ihr so den Zugang zu manchmal lebenswichtigen Informationen. Etwa 2003, als durch die Sars-Seuche in Taiwan Dutzende Menschen starben.

Nichts ist Peking verhasster als Unberechenbarkeit

Es gäbe also gerade für den demokratischen Westen Gründe, selbstbewusster gegenüber Peking aufzutreten. Auch auf anderen Feldern, etwa bei der Militarisierung des Südchinesischen Meeres durch China oder der Abschottung eines Großteils seiner Märkte. Bloß: Wenn ein Wandel kommen soll, dann nicht so, wie Donald Trump das vormacht: unberechenbar, auftrumpfend, provozierend. Also auf eine Weise, die Pekings Führer zu Gegenschlägen reizt. Der angestrebte Anschluss Taiwans ist das Herzstück des chinesischen Nationalismus, kein chinesischer Führer kann es sich leisten, in der Taiwanfrage als weich dazustehen. Peking hat auf das Telefonat Trumps mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen und auf seine Folgeattacken per Twitter bislang bemerkenswert vorsichtig reagiert. Hinter den Kulissen aber dürfte höchste Unruhe herrschen. Nichts ist Chinas Führern verhasster als Unberechenbarkeit. Trumps Tabubrüche könnten die Hardliner in Peking stärken.

Jeder Wandel der China-Politik bräuchte eine Strategie, Klarheit und Konsistenz. Es sieht nicht so aus, als stecke hinter Trumps Vorstößen auch nur eines dieser Dinge. Nötig wäre außerdem: enge Kooperation mit den Alliierten der USA in der Region. Ausgerechnet die aber hat Trump gerade beispiellos düpiert mit seinem Todesstoß für den Handelspakt TPP.

Dieser Vertrag war immer mehr als nur ein Freihandelsabkommen; es war ein Versprechen der Amerikaner an die Alliierten: Wir bleiben in Asien, wir stehen hinter euch. Die Aufgabe des Paktes hat viele der Alliierten erschüttert. Das Signal des kommenden US-Präsidenten ist: Mit uns braucht ihr nicht mehr rechnen. Und auf einen solchen Partner soll sich ausgerechnet das kleine Taiwan nun verlassen, auf das seit Jahren 1500 chinesische Raketen gerichtet sind?

Erreicht hat Trump bislang eines: China nimmt Taiwan nun ins Visier, hat die Bestrafung der Insel angedroht. Noch sonnen sich die Taiwaner in der unverhofften Aufmerksamkeit. Aber vielleicht merken sie bald, dass der Spieler Trump sie nur als Verhandlungsjoker einsetzt. Und dass dem Jubel bald der Katzenjammer folgt.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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