Trump und die Nato:"Gefährliche Idee"

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Die Äußerungen des republikanischen Präsidentschaftskandidaten zum Nato-Bündnis lösen in Osteuropa Besorgnis aus.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Es ist eine Lehrstunde in Geografie, die in den baltischen Staaten nicht so schnell vergessen werden wird. Man müsse sich schon überlegen, ob man für einen "Ort irgendwo in den Vororten von St. Petersburg einen Atomkrieg riskieren will", hatte der Republikaner Newt Gingrich gesagt. Damit meinte er Estland - ein Land, das seit 2004 Mitglied der Nato ist.

Der frühere Sprecher des Repräsentantenhauses ging mit seinen Worten allerdings nur noch einen Schritt über das hinaus, was der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump der New York Times gesagt hatte. Auf Beistand könnten Nato-Verbündete nur hoffen, wenn sie "ihre Rechnungen bezahlt hätten". Diese Worte aus dem Mund eines Mannes, der nächster Präsident der Vereinigten Staaten werden könnte, haben in den östlichen Mitgliedstaaten der Allianz Verärgerung und Entsetzen ausgelöst.

"Der 11. September hat gezeigt, dass die kollektive Verteidigung in beide Richtungen funktioniert", mahnte der tschechische Außenminister Lubomír Zaorálek. Man wolle sich nicht in den Wahlkampf der Amerikaner einmischen, aber es sei eine "sehr unglückliche und gefährliche Idee", militärischen Beistand von Vorbedingungen abhängig zu machen. Im 20. Jahrhundert hätten die USA Europa zweimal den Rücken gekehrt und hätten dann zu hohen Kosten und mit vielen Opfern zurückkehren müssen, erinnerte Tschechiens Außenminister im Kurznachrichtendienst Twitter. Er glaube "fest daran, dass die USA auch künftig unser Schlüsselpartner in der Nato bleiben".

In Wirklichkeit gibt es gar kein Problem mit unbezahlten Rechnungen bei der Nato

Tatsächlich markiert Trumps Distanzierung von der Beistandspflicht innerhalb der Nato einen Bruch mit fast 70 Jahren Politik, der tiefer nicht sein könnte. Kein Präsident und kein aussichtsreicher Kandidat hat das Bündnis bisher infrage gestellt. "Ich möchte eine Botschaft zurücksenden", vermeldete unbeirrt die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaitė, "wir vertrauen Amerika unabhängig davon, welchen Präsidenten es hat". Die Hoffnung in jenen Staaten, die seit 1999 der Nato beigetreten sind, ist gewissermaßen zweistufig: Man setzt darauf, dass Trump nicht Präsident wird. Und falls doch, dass er nicht ernsthaft die Nato beerdigen würde.

Ein Problem mit unbezahlten Rechnungen gibt es bei der Nato - anders als von Trump behauptet - nicht. Wohl aber sind viele Mitglieder noch weit vom längerfristigen Ziel entfernt, zwei Prozent ihrer Wirtschaftskraft in Verteidigung zu investieren. Nur fünf Staaten haben es bereits erreicht: Neben den USA, Griechenland und Großbritannien sind das Polen - und Estland.

© SZ vom 23.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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