Trotz Wahlniederlagen der SPD:Industrie ermutigt Schröder

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Kurz nach den massiven Wahlniederlagen der SPD hat der Bundesverband der Deutschen Industrie die Regierung in ihrem Reformkurs bestärkt. In der Partei stehen allerdings Schröders Politik sowie einzelne Kabinettsmitglieder unter Druck.

Von Nina Bovensiepen, Nico Fried und Robert Jacobi

BDI-Präsident Rogowski versicherte dem Kanzler, die Wirtschaft werde seine Reformpolitik unterstützen. Mit der Agenda 2010 habe die Regierung ein Reformpaket geschnürt, "wie wir es in der Bundesrepublik lange nicht mehr gesehen haben". Entscheidend sei nun, dass Rot-Grün den eingeschlagenen Kurs nicht verlasse. "Auch wenn es noch so weh tut: durchhalten, durchschwimmen", sagte Rogowski. "Aufhören heißt Untergang, das wünschen wir Ihnen nicht", ergänzte der Verbandschef, der zugleich weitere Reformen anmahnte. Beispielsweise müssten der Kündigungsschutz noch mehr gelockert und ein Niedriglohnsektor geschaffen werden.

"Man wird sich noch wundern"

Schröder äußerte sich am Dienstag sowohl vor dem BDI als auch in der SPD-Fraktion. Vor dem Wirtschaftsverband sagte er in einer mehrfach vom Beifall der Unternehmer und Manager unterbrochenen Rede: "Ich habe den Auftrag bekommen, das zu machen, und das Mandat reicht bis 2006 - zunächst, man wird sich noch wundern." Die SPD müsse erkennen, dass nicht nur im Verhältnis zu den Nachbarstaaten, sondern auch im Inneren Veränderungen nötig seien. Die Reformpolitik sei vielleicht noch nicht in allen Punkten "richtig oder angemessen". Die Sozialsysteme müssten aber "in allen Bereichen verändert werden", um Ressourcen für Bildung und Forschung freizubekommen.

Vor den SPD-Abgeordneten ging Schröder vor allem auf Kritik an seinem Kabinett ein. Ohne Namen zu nennen, räumte Schröder ein, dass es auch SPD-Minister an der notwendigen Disziplin hätten mangeln lassen. Er sagte zu, sich um mehr Führung zu bemühen, reichte die Verantwortung dafür aber auch an seine Minister weiter. Seine Möglichkeiten seien "sehr begrenzt", sagte der Kanzler nach Teilnehmerangaben. Zu Forderungen, er müsse auch einmal auf den Tisch hauen, sagte Schröder: "Da muss erst einmal ein Tisch sein. Und dann muss die Faust auch härter sein als der Tisch".

Kritik an "Schwachstellen" im Kabinett

Zuvor waren vereinzelt Rufe nach einer Kabinettsumbildung laut geworden. Der schleswig-holsteinische SPD-Fraktionsvorsitzende Lothar Hay nannte dabei als Erster SPD-Politiker offen beim Namen. Als "Schwachstellen" in der Regierung machte er Verkehrsminister Manfred Stolpe und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement aus. In weiten Teilen der SPD hatten Alleingänge und missverständliche Äußerungen dieser beiden Minister bereits in den vergangenen Wochen für erheblichen Unmut gesorgt.

Der Düsseldorfer Ministerpräsident Peer Steinbrück sieht die SPD in "der größten Vertrauenskrise seit Gründung der Republik". Man habe es nicht geschafft, "die notwendigen Reformschritte mit einer Art Überbau oder rotem Faden zu verbinden", sagte er. Sein Landeschef Harald Schartau kritisierte das seiner Ansicht nach zu hohe Reformtempo. "Wenn überall Reformen nach vorne getrieben werden, ohne dass die Menschen eine zeitnahe Perspektive sehen, bekommen sie zunehmend Angst", sagte Schartau dem Handelsblatt.

Beim Ausbildungspakt für mehr Lehrstellen übten Regierung und Wirtschaft am Dienstag demonstrativ den Schulterschluss. Der Kanzler sagte, er hoffe, dass der Pakt noch in dieser Woche unterschrieben werden könne. "Die Fachkräfte von morgen sind die Auszubildenden von heute", erklärte der Kanzler. Ein Ausbildungspakt sei notwendig, "um des Zusammenhalts der Gesellschaft willen, aber auch aus schierer ökonomischer Vernunft".

Zuvor hatte Rogowski bereits eingeräumt, er sei "kein Freund" dieser Idee gewesen, weil er der Meinung gewesen sei, "wir dokumentieren damit, dass wir früher zu wenig getan haben, und wir haben viel getan". Nun aber befürworte er die Vereinbarung mit der Regierung: "Wir müssen das versuchen, und ich bin überzeugt, das wird klappen", sagte Rogowski.

© SZ vom 16.6.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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