Trotz Debakel:Regierung und Parteien wollen NPD-Verbot weiter betreiben

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Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag sind nach ihrem spektakulären V-Leute-Debakel im NPD-Verbotsverfahren um öffentliche und juristische Schadensbegrenzung bemüht.

Susanne Höll

(SZ vom 29.1.2002)

Berlin - Bundesregierung, SPD, Grüne und Union lehnten einhellig die FDP-Forderung ab, die drei Anträge zum Verbot der rechtsextremen Partei beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zurückzuziehen. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) wandte sich zudem gegen Forderungen, die Anträge zu überarbeiten, um so die Konfusion über Äußerungen von Spitzeln auszuräumen.

Ein solcher Vorschlag war auch vom Grünen-Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir gekommen. Beckstein, der am Montagabend in Berlin mit Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) über das weitere Vorgehen beraten wollte, sagte der Süddeutschen Zeitung: "Meine vorläufige Meinung ist, dass es keiner nennenswerten Änderungen bedarf." Sollte das Verfassungsgericht Aufschluss über Informanten wollen, könne dies im Verfahren geschehen.

Dann könnten die Richter in einem so genannten In-Camera-Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der NPD über Spitzel aufgeklärt werden. Auch das Bundesinnenministerium äußerte sich eher reserviert über die Forderung nach Überarbeitung. Ministeriumssprecher Rainer Lingenthal sagte, über das weitere Vorgehen werde noch beraten.

Geplant waren bisher lediglich Stellungnahmen der drei Antragsteller zum Fall des früheren NPD-Funktionärs und Ex-Spitzels Wolfgang Frenz. Darüber hinaus sind jedoch noch viele Fragen offen, etwa die Gesamtzahl und die genaue Rolle der Spitzel, deren Äußerungen im Beweismaterial auftauchen. Lingenthal sagte, die Äußerungen von V-Leuten spielten im Beweismaterial keine "tragende Rolle".

Unklar blieb bislang aber, warum sie dann überhaupt in die Schriftsätze aufgenommen worden sind. Weiterer Aufschluss in der gesamten Affäre wird vom neuerlichen Auftritt Schilys im Innenausschuss am morgigen Mittwoch erwartet. Die Union, die zuletzt auf ausdrückliche Rücktrittsforderungen an Schily verzichtete, will ihren Kurs erst nach dieser Sitzung festlegen. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sagte, bevor man Konsequenzen fordere, müsse man die Fakten kennen.

Die Bundesregierung rief derweil dazu auf, die heftige Debatte der vergangenen Tage einzustellen. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye sagte, dadurch könnten sich Rechtsextreme ermutigt fühlen. Schily, der sich am Wochenende über angeblichen Geheimnisverrat von Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) beschwert hatte, ließ dem Eindruck widersprechen, er wolle künftig die PKG boykottieren.

Dem Verdacht des Geheimnisverrats geht die Berliner Staatsanwaltschaft nach. Dabei geht es um Weitergabe von PKG-Informationen. Es soll sich aber nicht um die Freitagssitzung handeln, in der der NPD-Funktionär Uwe Holtmann als zweiter V-Mann genannt worden sein soll. Grundlage ist nach Justizangaben eine Anzeige vom Donnerstag.

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