Treffen der EU-Außenminister:Weichenstellen am Gardasee

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Regionale Konflikte, Terrorismus, Flüchtlingselend, Klimawandel - ab heute diskutieren im italienischen Riva del Garda die 25 Außenminister des neuen und alten Europa über die Probleme der Welt und wie man ihnen begegnen will. Auch der EU-Verfassungsentwurf steht auf der Agenda. Viel Stoff für zwei Tage.

Cornelia Bolesch

(SZ vom 5. September 2003) Die Atmosphäre soll die Gedanken beflügeln, schließlich wollen die EU-Außenminister während ihres zweitägigen Treffens erste Weichen stellen für die wichtigsten Vorhaben der Europäischen Union.

Italiens Außenminister Franco Frattini hat seine Kollegen für Freitag und Samstag an die Ufer des schönen Gardasees eingeladen, dort geht es um den Verfassungsentwurf und um Europas künftige Rolle in der Welt. Die Reform der EU und die langfristigen Ziele ihrer Außenpolitik - zwei dicke politische Brocken sind das, die die 25 Minister aus dem alten und neuen Europa in die erste Form bringen sollen.

Der EU-Sicherheitsbeauftragte Javier Solana erhofft sich ein konkretes Echo auf sein Konzept einer "europäischen Sicherheitsstrategie". Ein erstes Papier hatte er bereits dem EU-Gipfel in Thessaloniki präsentiert.

Das 16-seitige Werk unter dem Titel "Ein sicheres Europa in einer besseren Welt" listet schnörkellos die Bedrohungslage in der Welt auf: Regionale Konflikte, Hunger und Flüchtlingselend, Klimawandel und Energieprobleme.

Drei "Hauptbedrohungen" für Europa hält Solana fest: Der internationale Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und die Gefahr der zerfallenden Staaten, in denen die organisierte Kriminalität die Macht übernommen hat.

In Riva del Garda will Solana wissen, ob die Außenminister seine Analyse teilen und welche Konsequenzen sie ziehen: Welche Rolle sollen die UN angesichts dieser Lage spielen, welchen Stellenwert hätten die USA? Welche Konsequenzen ergeben sich für das europäische Verteidigungsprofil? Können Kriege Konflikte lösen?

Alle diese Fragen sollen im Herbst auf drei Workshops in Rom, Paris und Kopenhagen weiter bearbeitet werden. Im Dezember soll die europäische Sicherheitsstrategie endgültig stehen - und vom EU-Gipfel in Brüssel verabschiedet werden.

Belgien plädiert für militärisches EU-Hauptquartier

Die Außenminister können sich am Gardasee gleich in interner Konfliktbewältigung üben. Im Dauerstreit um eine eigenständige EU-Militärstruktur neben der Nato wird die britische Regierung ihr jüngstes Papier einbringen, das die Schaffung einer militärischen EU-Planungszelle unter dem Dach des Nato-Hauptquartiers im belgischen Mons vorsieht.

Die belgische Regierung wird dagegen auf ihrem Plan beharren, für EU-Militäraktionen ein eigenes Hauptquartier im Brüsseler Vorort Tervuren einzurichten und sie auch räumlich von der Nato zu trennen.

Auf dem "Pralinen-Gipfel" im April hatte Belgiens Premier Guy Verhofstadt bereits für dieses Konzept geworben, gemeinsam mit den Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Deutschland und Luxemburg. Andere EU-Staaten und die US-Regierung halten die Pläne für amerikafeindlich.

Zu viel Stoff für zwei Tage

Die EU-interne Stimmung scheint aber eher versöhnlich als kriegerisch zu sein. So erklärte Verhofstadt, die britische Idee sei "ausgezeichnet", eine EU-Zelle in der Nato sei überfällig. Er schob jedoch hinterher, dass damit die Idee eines EU-Hauptquartiers nicht vom Tisch sei. Beide Einrichtungen würden sich nicht ausschließen.

Zu intensiv wird man sich nicht mit dieser Frage beschäftigen können. Andere Konflikte stehen auf der Tagesordnung: die Lage im Irak und in Nahost, die mögliche Gefahr durch die Atompolitik Irans - zu viel Stoff für zwei Tage.

Ein Instrumentarium, das es den Ministern erleichtern könnte, schneller und gründlicher mit ihren Problembergen fertig zu werden, gibt es noch nicht. Ansätze dazu (etwa die Position eines EU-Außenministers) stehen bislang nur im Verfassungsentwurf des Reformkonvents. Und den sollen die Außenminister, wenn es nach Gastgeber Frattini geht, am Gardasee gutheißen.

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