Treffen der EU-Außenminister:Fischer sorgt sich um Europas Verfassung

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Trotz eines Durchbruchs bei der europäischen Verteidigungspolitik sieht Außenminister Joschka Fischer noch große Hürden auf dem Weg zur geplanten EU-Verfassung. Der Streit um die Größe der EU-Kommission und das Abstimmungssystem in der erweiterten Union mit 25 Mitgliedstaaten blieb beim Treffen der EU-Außenminister in Neapel ungelöst.

"Ich reise von Neapel besorgter weg, als ich es vorher war", sagte Fischer zum Abschluss der Beratungen. Besorgnis äußerten auch die Europa-Abgeordneten Klaus Hänsch und Elmar Brok, die als Vertreter des Parlaments an der Regierungskonferenz zur Verfassung teilnehmen.

"Wir sind weit von einer Lösung in den großen Fragen entfernt", sagte Hänsch. Vor allem zur Stimmengewichtung der Mitgliedstaaten im Rat seien die Fronten verhärtet, erklärte Brok: "Ich verlasse Neapel etwas besorgt, weil Spanien und Polen sich überhaupt nicht bewegt haben."

Als "ganz, ganz wichtigen Fortschritt" bezeichnete Fischer hingegen die Grundsatzeinigung in Verteidigungsfragen. Ähnlich äußerten sich seine Amtskollegen aus Frankreich und Großbritannien, Dominique de Villepin und Jack Straw. Die Initiative der drei Länder für eine strukturierte Zusammenarbeit der EU-Staaten auf militärischem Gebiet sei auf große Zustimmung gestoßen, sagte Außenminister Franco Frattini für den italienischen EU-Ratsvorsitz.

Schnelle Eingreiftruppe geplant

Die Italiener legten den Ministern ein Protokoll vor, das mehrere Grundsätze festhält: Die militärische Zusammenarbeit soll für alle EU-Länder offen sein, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen. Sie soll keine Konkurrenz zum NATO-Bündnis werden. Auch der Austritt sei möglich.

Geplant ist eine schnelle Eingreiftruppe, die rasch und für längere Zeiträume tätig werden kann. Dies könne auf Anfrage der UN oder EU-Initiative geschehen, sagte Frattini. Über die Frage des Hauptquartiers müssten die Verteidigungsminister entscheiden.

Der französische Außenminister de Villepin nannte die Einigung in Verteidigungsfragen ein "gutes Omen für Brüssel". Dort sollen die Staats- und Regierungschefs am 12. und 13. Dezember ein Gesamtpaket für die EU-Verfassung verabschieden. Der Ratsvorsitzende Frattini sprach von guten Fortschritte in zahlreichen Einzelfragen, räumte aber gleichzeitig ein: "Es bleibt das Problem des Stimmsystems."

Zank um Größe der EU-Kommission

Die spanische Außenministerin Ana Palacio bekräftigte die Forderung Madrids, am Abstimmungssystem gemäß dem Nizza-Vertrag festzuhalten. Spanien und Polen hätten demnach je 27 Stimmen, obwohl das bevölkerungsmäßig doppelt so große Deutschland nur 29 Stimmen hat. Berlin und die meisten anderen EU-Staaten wollen hingegen ein neues System der doppelten Mehrheit einführen.

Dabei müsste eine Mehrheit der Länder, die gleichzeitig 50 oder 60 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, einer Entscheidung zustimmen. Überlegungen, die Nizza-Festlegungen zunächst auszuprobieren und eine Entscheidung über die künftige Stimmengewichtung auf das Jahr 2009 zu vertagen, wies Fischer zurück. Dies käme einem Scheitern der Regierungskonferenz gleich, sagte der Minister.

Auch zur Größe der EU-Kommission erreichten die Außenminister in Neapel keine endgültige Einigung. Die österreichische Ressortchefin Benita Ferrero-Waldner sprach jedoch von einer "fast überwältigenden Mehrheit" für einen EU-Kommissar für jedes der bald 25 EU-Länder.

Fischer lehnte dies aber ab: "So eine Kommission wäre ein De-facto-Übergang zum Präsidialsystem", sagte Fischer. Eine Lösung erwarte er erst in der letzten Nacht des EU-Gipfels Mitte Dezember.

(sueddeutsche.de/dpa)

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